Neue Klima-Studie:Wenn der Nordpol eisfrei wird

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Neue Berechnungen des Max-Planck-Institutes für Meteorologie prophezeien dramatische Erderwärmung. Nach Einschätzung des Klimaforschers Hartmut Graßl ist es "der stärkste Klimawandel, der in den letzten Millionen Jahren auf der Erde im globalen Mittel aufgetreten ist".

Christopher Schrader

Die Computer, auf denen die Max-Planck-Forscher in Hamburg ihre Welt verwahren, sind gut gekühlt - eine Klimaanlage im Klima-Rechenzentrum hält die Temperatur konstant.

Auch Satellitenaufnahmen belegen dramatische Veränderungen: Diese Bilder zeigen den Nordpol im September 1979 und im September 2005. Bereits im vierten Jahr in Folge schrumpft die Eisfläche der Artkis, meldet das Nationale Schnee- und Eis-Datenzentrum der USA (NSIDC). "Wenn der derzeitige Schwund des Meereises anhält, könnte die Arktis bis zum Ende des Jahrhunderts im Sommer komplett eisfrei sein." (Foto: Foto: dpa)

Das kann man von dem Planeten, der in den Chips und Schaltkreisen existiert, nicht sagen: Er wird immer wärmer.

Um 2,5 bis vier Grad Celsius steigt dort die Temperatur im Durchschnitt, während der Jahreszähler von 1970 auf 2100 klettert. Und das Erschreckende daran ist, es handelt sich nicht um ein Computerspiel.

Die Forscher haben die Zahlen am Donnerstag zu einem Blick in die Zukunft der Erde erklärt. "Das ist der stärkste Klimawandel, der in den letzten Millionen Jahren auf der Erde im globalen Mittel aufgetreten ist", sagte Klimaforscher Hartmut Graßl.

Anderthalb Jahre haben die Supercomputer am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) an den Klima-Simulationen gerechnet, die jetzt anlässlich einer wissenschaftlichen Konferenz veröffentlicht wurden.

Die Forscher haben ihre Computer auf ein neues Modell programmiert und besonders die Wechselwirkung zwischen Luft und Meer erfasst. Wie immer bei solchen Simulationen lautet die Frage: Was passiert mit der Welt, wenn die Emissionen an Treibhausgasen aus Fabriken und Autos weiter so ansteigen wie bisher?

Die Antwort der Forscher: Neben der Erwärmung erwarten sie einen durchschnittlichen Anstieg des Meeresspiegels um 21 bis 28 Zentimeter bis zum Jahr 2100; in der Nordsee dürften es sogar 43 Zentimeter werden.

Der Nordpol könnte am Ende des Jahrhunderts jeweils im Spätsommer komplett eisfrei sein.

Europa: trockenere Sommer, wärmere Winter

Schon jetzt, bestätigte am Mittwoch eine amerikanische Studie, wird die Eisdecke Jahr für Jahr kleiner. In Spanien gäbe es der Simulation zufolge längere Dürren, ganz Europa hätte heißere, trockenere Sommer sowie wärmere und feuchtere Winter.

Extreme Wetterereignisse dürften dadurch zunehmen, etwa Hitzewellen wie im Jahr 2003 und Winterorkane wie Anna im Jahr 2002, Sturmfluten im Norden und überschwellende Flüsse im Süden Deutschlands. Und selbst bei ruhigerem Wetter dürfte sich das Leben der Menschen drastisch verändern.

Die Landwirtschaft werde unter der Trockenheit leiden. Und "die Forstwirtschaft wird in fast allen Teilen der Welt andere als bislang übliche Baumarten bewirtschaften müssen", sagte der Leiter des Projekts, Erich Roeckner.

Diese Folgen des Klimawandels können die Forscher heute zuverlässig beschreiben. Diesmal haben sie auch die Vergangenheit nachgestellt: Die Messwerte von 1850 bis 2000 haben die Computer gut reproduziert.

"Unsere neuen Ergebnisse sind robuster als bisher. Wir sind von der Zuverlässigkeit überzeugt", sagte der Geschäftsführende Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, Jochem Marotzke.

Besonders die Zahl von mindestens 2,5 Grad Erwärmung ist ein Alarmsignal. Sie gilt für das optimistischste Szenario, für eine Welt, die sich ideal verhält, Umweltschutz und die Entwicklung armer Länder unter einen Hut bekommt und den Treibhausgas-Ausstoß drastisch senkt.

Für diesen Fall hatte der Weltklimarat IPCC in seinem jüngsten Bericht von 2001 einen Temperaturanstieg von knapp zwei Grad errechnet. Der nächste Report, der 2007 erscheinen soll, dürfte also höhere Zahlen enthalten.

© SZ vom 30.9.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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