Neue Inselhalle:Immenser Einsatz

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Die Stadt am Bodensee hat alle Kräfte und alle möglichen Geldgeber mobilisiert, um den traditionellen Tagungsort zu modernisieren. Die Anstrengung hat sich aller Kritik zum Trotz gelohnt, findet Bürgermeister Gerhard Ecker.

Von Christian Rost

Gerhard Ecker war noch gar nicht Oberbürgermeister von Lindau, als die Organisatoren der jährlichen Nobelpreisträgertagung Mitte 2011 mit einem dringenden Anliegen auf ihn zukamen: Sollte Ecker gewählt werden, müsse er dafür sorgen, dass das Kongresszentrum, die Inselhalle, saniert und vor allem erweitert werde. Ansonsten werde sich das Kuratorium des prestigeträchtigen Events in St. Gallen, Bregenz oder gleich in den USA nach einem anderen Veranstaltungsort umsehen. Der SPD-Politiker gewann die Wahl und trat sein Amt 2012 an. Es sei ihm bewusst gewesen, dass er die Tagung als "absolutes Top-Ereignis" in Lindau halten müsse, sagt der 60-Jährige. Wo, abgesehen von den Vergabeorten der Preise in Schweden und Norwegen, kämen schon so viele Nobelpreisträger zusammen wie in Lindau?, fragt Ecker. Also nahm die Stadt die Herausforderung an und stemmte das immens teure Projekt.

Die in den Achtzigerjahren gebaute Inselhalle war nicht ausgelegt für die Zusammenkunft der Hautevolee der Wissenschaften. Nun, nach sechs Jahren Umbauzeit, ist sie zweieinhalb Mal so groß, 50 Millionen Euro wurden investiert. Einst war die Stadt von 20 Millionen Euro Baukosten ausgegangen, das erwies sich aber als sehr optimistische Schätzung. Und als im Schlussspurt auch noch mehrere Handwerker ihre Termine nicht einhielten, trieb dies den Preis weiter in die Höhe. Jetzt aber ist die Halle bereit für das Treffen von 600 jungen Wissenschaftlern aus 80 Nationen. Sie kommen mit 39 Nobelpreisträgern zusammen, um sozusagen den Stand der Welt zu diskutieren.

"Für manche Lindauer ist das nicht so bedeutsam", sagt Ecker - und weiß natürlich, dass die Tagung nicht nur für Akademiker, sondern auch für das Tourismusgewerbe am Bodensee "einzigartig ist". Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen gibt es freilich ein noch wichtigeres Ereignis in Lindau. Die Tagung der Psychotherapeuten jeweils im April mit etwa 4000 Teilnehmern. Da quillt das Dreiländereck über mit zahlungskräftigen Gästen, eine deutlich höhere Strahlkraft entfaltet aber das Stelldichein der besten Wissenschaftler der Welt.

Lindau mit seinen gut 25 000 Einwohnern ist eine überschaubare Stadt, die der Tourismus bisweilen überfordert. Es ist noch nicht lange her, da für die Altstadtinsel ein Umwandlungsverbot von Wohnungen in Ferienwohnungen erlassen wurde. Einheimische fanden nur noch schwer eine Bleibe, weshalb der Stadtrat die Notbremse zog. Vor diesem Hintergrund fragten sich einige Lindauer, ob die teure Erweiterung der Inselhalle sein musste. "Offen hat sich niemand gegen die Nobelpreisträger gestellt", erinnert sich der Oberbürgermeister, "das hat sich keiner getraut." Indirekt gab es aber sehr wohl Bemühungen, die Sanierung zu torpedieren. Es wurde also nicht der Ausbau selbst kritisiert - mit einem Bürgerentscheid sollte der Bau des Parkhauses an der Tagungsstätte gestoppt werden. "Haarscharf", so Ecker, erreichten die Gegner das Quorum nicht. "Dann hat kein Hahn mehr danach gekräht."

Jetzt ist die Halle bereit für das Treffen der Nobelpreisträger, erstmals steht ihnen eine adäquate Tagungsstätte mit drei Sälen und zwölf Räumen für Gruppenveranstaltungen sowie eine zeitgemäße Gastronomie zur Verfügung. Die Idee zur Tagung stammte von den Lindauer Ärzten Franz Karl Hein und Gustav Parade; Ziel war nach der Nazizeit wieder in den Kreis der internationalen Wissenschaft aufgenommen zu werden.

Für Gerhard Ecker bringt die Tagung anstrengende Tage mit sich: Empfang im Rathaus, Grill-Chill, ein bayerischer Abend und ein Besuch auf der Insel Mainau. Dazu ein Konzert der Wiener Philharmoniker und viel "Shake-Hands". Dem Oberbürgermeister macht das nichts aus, im Gegenteil: Er freut sich auf die Gespräche mit den Nobelpreisträgern. Worüber spricht er eigentlich mit ihnen? "Ach", sagt Ecker, "das sind ganz normale Leute, wir reden über Politik, Familie, die Kinder und die Enkel."

© SZ vom 29.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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