Navigation:Wo geht's nach Norden?

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Der magnetische Nordpol ist auf Wanderschaft durch die Arktis. Derzeit befindet es sich in der Nähe des geographischen Pols. (Foto: Ulf Mauder/dpa)

Das Erdmagnetfeld macht seltsame Kapriolen. In der Arktis erschwert das die Navigation. Abhilfe lässt auf sich warten - wegen des Shutdowns in den USA.

Von Tobias Kühn

Im Zuge des amerikanischen Regierungsstillstands müssen nicht nur Angestellte im öffentlichen Dienst auf ihr Gehalt warten. Auch das Erdmagnetfeld ist zu Stillstand verurteilt. Die anstehende Aktualisierung des sogenannten World Magnetic Model, einer Art Weltkarte des Erdmagnetfelds, ist verschoben worden, da die zuständige Nationale Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA vom Shutdown betroffen ist. Die neue Version des Modells wird nun frühestens am 30. Januar statt wie geplant in dieser Woche veröffentlicht. Das World Magnetic Model gibt Richtung und Stärke des Erdmagnetfelds an jedem Punkt der Erde an. In jüngerer Zeit hatten Anwender in der Arktis Unregelmäßigkeiten bemerkt, die Experten unter anderem auf das derzeit seltsame Verhalten des magnetischen Nordpols zurückführen. Dieser befand sich lange Zeit in Nordkanada, wandert aber und liegt derzeit im arktischen Meer unweit des geografischen Nordpols.

Der Erdmagnetismus wird von Strömen flüssigen Eisens unterhalb der Erdkruste verursacht, die sich im Laufe der Zeit verändern. Die meisten Navigationssysteme, zum Beispiel Google Maps, beruhen wesentlich auf dem World Magnetic Model. Daher sollte es die Realität genau beschreiben, was im Regelfall alle fünf Jahre eine Neukartierung nötig macht. Hierzu tragen die US-amerikanische Ozean- und Atmosphärenbehörde zusammen mit dem British Geological Survey Messungen des Erdmagnetfelds von Satelliten und Observatorien auf der Erde zusammen. Hydrodynamische Modellrechnungen zu den Bewegungen im Erdinneren ergeben dann Vorhersagen für die künftige Entwicklung des Erdmagnetfelds.

Kurz nach der jüngsten turnusgemäßen Neukartierung des Erdmagnetismus im Jahr 2015 gab es allerdings einen geomagnetischen Ausschlag unter Südamerika, der nicht von Modellrechnungen vorhergesagt wurde. Zudem bewegt sich der magnetische Nordpol. Warum, ist noch nicht ganz geklärt. Der Geophysiker Phil Livermore von der Universität Leeds vermutet hinter dem Phänomen des wandernden Pols zwei Magnetfeldflecken, jeweils unter Sibirien und Kanada. Diese veranstalteten ein "Tauziehen" um den magnetischen Nordpol. "Der sibirische Fleck gewinnt den Wettbewerb", sagte Livermore auf einer Tagung der Amerikanischen Geophysikalischen Gesellschaft.

Die meisten Smartphones sind sehr wahrscheinlich noch auf dem alten Stand

Aufgrund dieser Unregelmäßigkeiten weicht die Realität von den Vorhersagen ab. Schon im März des vergangenen Jahres berichteten Nutzer in der Arktis von Ungenauigkeiten in der Navigation. Daraufhin wurde ein außerplanmäßiges Update vorgesehen. Dessen Daten stellen britische Geologen seit dem vergangenen September in roher Form zur Verfügung. Die Software, die eine Anwendung im Alltag erleichtert, wird allerdings von ihren amerikanischen Kollegen geliefert - wegen der Regierungspause verspätet sich das nun. Die meisten Smartphones beispielsweise sind daher sehr wahrscheinlich noch auf dem alten Stand, sagt Will Brown, Geomagnetismus-Experte vom British Geological Survey.

Das heißt aber nicht, dass aufgrund der Verzögerung Navigationssysteme derzeit in die Irre führen. Die Abweichungen lägen in bewohnten Gebieten bei unter einem Grad - nur in der Arktis könne die Ungenauigkeit des World Magnetic Model zum Problem werden, so Brown. Nach der nun erfolgten Auffrischung soll das Modell bis zum nächsten geplanten Update Ende 2019 auch dort genau genug sein. Es bleibt zu hoffen, dass die Nationale Ozean- und Atmosphärenbehörde dann handlungsfähig sein wird - derzeit ist ihre Website nicht zu erreichen: Shutdown.

© SZ vom 18.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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