Nach UN-Bericht zum Klimawandel:"Wir müssen schnell und entschlossen handeln"

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Die Bundesregierung will beim Klimaschutz Taten sehen - während UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf die beiden größten Klimasünder der Welt mit dem Finger zeigte: Er forderte die USA und China zu mehr Anstrengungen auf.

Zwei Wochen vor der Klimakonferenz in Bali hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die USA und China zu einer konstruktiven Rolle beim Klimaschutz aufgefordert. "Beide Länder können auf ihre Weise die Führung übernehmen", mahnte Ban Ki Moon.

Der CO2-Ausstoß muss bis 2015 verringert werden, fordern die UN-Experten. (Foto: Foto: ddp)

Nach Abschluss fünftägiger Beratungen in der spanischen Stadt Valencia wurde der Abschlussbericht des Weltklimarates am Samstag im Beisein des UN-Generalsekretärs vorgestellt.

Das 26-seitige Papier schafft nach seinen Worten die besten Voraussetzungen für einen Durchbruch bei der Reduzierung der erderwärmenden Treibhausgase, über die vom 3. Dezember an auf der indonesischen Insel verhandelt werden soll.

Berlin will in Bali Taten sehen

Die Bundesregierung verlangte ein starkes Signal von der UN-Klimakonferenz auf Bali im Dezember, auf der ein Nachfolgeabkommen für den auslaufenden Kyoto-Vertrag verhandelt werden soll.

"Wir müssen schnell und entschlossen handeln, um den Klimawandel in einem beherrschbaren Rahmen zu halten", erklärte Michael Müller, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, der Deutschland in Valencia vertrat. "Die Ergebnisse der Wissenschaft sind eindeutig." Es gebe mehr Grund zur Sorge denn je. "Der IPCC hat deutlich gemacht, dass wir bis 2015 die Wende schaffen müssen."

Die Bundestagsfraktion der Grünen forderte die Regierung auf, ihren Worten Taten folgen zu lassen und beim Klimaschutz gemeinsam mit Europa voranzugehen.

Die EU-Kommission begrüßte den Report des UN-Klimarates IPCC. Der neue Bericht sei ein "Meilenstein unserer wissenschaftlichen Kenntnis über den Klimawandel und die schweren Bedrohungen, die von der Erderwärmung für den Planeten ausgehen", erklärte EU-Umweltkommissar Stavros Dimas.

Der Report zeige, dass dringend gehandelt werden müsse, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken. "Die gute Nachricht ist, dass er (der Bericht) auch zeigt, dass weitgehende Emissionsschnitte sowohl technisch möglich als auch wirtschaftlich tragbar sind", erklärte der Kommissar in einer Mitteilung.

"Es gibt jede Menge Handlungsoptionen"

Bei der UN-Klimakonferenz auf Bali im Dezember müsse vereinbart werden, Verhandlungen über ein umfassendes und ehrgeiziges Klimaabkommen zu beginnen. Dabei müssten alle großen Emittenten einbezogen werden. Die EU will bis 2020 ihre Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zum Stand von 1990 um mindestens 20 Prozent verringern.

UN-Generalsekretär Ban bezeichnete das zusammenfassende Abschlussdokument des in insgesamt vier Teilen vorgelegten diesjährigen Klimaberichts als wegweisende Grundlage für die Einschätzungen der Risiken des Klimawandels.

"Es gibt jede Menge Handlungsoptionen", sagte auch UN-Klimachef de Boer. "Allein durch Maßnahmen, die sich schon binnen zwei bis drei Jahren über geringere Energiekosten rechneten, könnten große Mengen Treibhausgase eingespart werden.

Auch de Boer versprach sich Fortschritte von der Bali-Konferenz. "Ich glaube, der IPCC hat uns mit einem wissenschaftlichen Kompass für diese Verhandlungen ausgestattet."

Die Experten aus mehr als 140 Ländern schlossen am Freitag ihre Arbeit an dem vierten Weltklimabericht ab. Sie erstellten eine ausführliche Version mit 70 Seiten und eine Kurzfassung.

Dramatischer Anstieg der Meeresspiegel, Tote durch Hitzewellen

Die Kernaussage besteht darin, dass der Klimawandel begonnen hat und den ganzen Planeten mit unumkehrbaren Folgen bedroht. Das Dokument beschreibt, wie sich das Klima verändert und was die Ursachen sind. Ferner zeigt es die Auswirkungen auf verschiedene Ökosysteme und den Menschen auf.

Dafür gibt es verschiedene Szenarien, je nachdem, wie schnell Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Der Bericht stellt somit eine allgemein anerkannte wissenschaftliche Basis für die anstehenden politischen Verhandlungen dar.

Die Zusammenfassung des Berichts beginnt mit der Aussage: "Die Erwärmung des Klimasystems ist eindeutig." Damit solle den letzten Zweiflern klar gemacht werden, dass sich die globale Erwärmung nicht länger bestreiten lasse, erklärten Konferenzteilnehmer.

In seiner Schlussfolgerung warnt der Bericht des Weltklimarats, dass menschliches Verhalten zu "abrupten und unumkehrbaren Änderungen" auf der Erde führen könnte, darunter die Auslöschung von Tier- und Pflanzenarten und ein dramatischer Anstieg der Meeresspiegel.

"Ich denke, es ist ein gutes und ausgewogenes Dokument", sagte der niederländische Wissenschaftler Bert Metz, einer von 40 Autoren des der Konferenz vorgelegten Entwurfs. "Am Ende mussten viele Leute Kompromisse eingehen."

Die Zusammenfassung enthält die wichtigsten Ergebnisse der drei bisherigen Weltklimaberichte. Deren insgesamt 3000 Seiten auf etwa 20 Seiten zu komprimieren, sei eine große Herausforderung gewesen, sagte Metz. Das Ergebnis sei "viel besser, als ich erwartet habe", erklärte der belgische Wissenschaftler Jean-Pascal van Ypersele. Der Bericht bestehe nicht nur aus einem "cut-and-paste" der früheren Dokumente, sondern zeige die Bedrohungen noch klarer auf als bisher.

Entscheidend sei das Jahr 2015, heißt es in dem Bericht: Ab diesem Jahr müsse der Ausstoß der Treibhausgase signifikant zurückgehen und nicht wie bisher weiter steigen.

Allerdings wird sich selbst dann die Durchschnittstemperatur weltweit um 2,0 bis 2,4 Grad Celsius erhöhen, was den Wissenschaftlern zufolge unweigerlich zu mehr Waldbränden und mehr Toten durch Hitzewellen, Überflutungen und Dürreperioden in landwirtschaftlich bislang ertragreichen Gebieten führen wird.

Die Umweltorganisationen WWF und Greenpeace begrüßten den vierten Weltklimabericht als wichtige Grundlage für die anstehenden Verhandlungen über neue Grenzwerte bei der Emission von Treibhausgasen.

"Es ist vollbracht", sagte der WWF-Delegierte Hans Verholme am Freitagabend in Valencia. "Sie haben einen wirklich bedeutenden Bericht erstellt."

Ein weiterer Klimaexperte des World Wide Fund for Nature, Stephen Singer, sagte, der Bericht sei "ein grundlegendes Dokument, das den Weg ebnen wird zu tiefen Einschnitten bei den Emissionen der Entwicklungsländer". Diese werden vom Kyoto-Protokoll für den Klimaschutz noch nicht berücksichtigt, sollen aber im Nachfolgeabkommen erfasst werden.

Die Verhandlungen über ein solches Nachfolgeabkommen für den Kyoto-Vertrag, der 2012 ausläuft, sollen ab 3. Dezember mit der Weltklimakonferenz beginnen, die bis 14. Dezember auf der indonesischen Insel Bali stattfindet.

Die beiden größten Klimasünder USA und China haben sich nicht dem Kyoto-Protokoll angeschlossen, in dem sich Industriestaaten auf eine schrittweise Reduzierung der Emissionen verpflichtet haben. Zudem wehren sich Entwicklungs- und Schwellenländer dagegen, ihre Industrien in der Aufbauphase der Volkswirtschaften durch Umweltschutzvorgaben einzuschränken.

Währenddessen sucht die Umweltstiftung WWF weltweit Zeugen für den Klimawandel. Wer immer feststelle, dass sich das Klima ändere, solle dies auf die Homepage des WWF (World Wide Fund for Nature) schreiben, sagte dessen Klimachef Hans Verolme.

Rentierhirte und der Tauchunternehmer

Die Berichte werden laut WWF dann von Klimaforschern geprüft. "Der Klimawandel wird von einigen Menschen noch immer als abstraktes und fernes Problem wahrgenommen", kritisierte Verolme. "Das Klimazeugenprogramm zeigt aber, dass es bereits jetzt passiert und das Leben der Menschen rings um den Globus beeinträchtigt."

48 Zeugen bot der WWF bereits auf. Einige von ihnen berichteten in einer weltweiten Liveschaltung am Rande der Tagung des UN- Klimarates IPCC in von ihren aktuellen Problemen.

Einer ist John Rumney, der ein Tauchunternehmen für Touristen am Great Barrier Reef in Australien betreibt. Laut IPCC hat es dort seit 1979 acht große Korallenbleichen gegeben, ausgelöst durch ungewöhnlich hohe Wassertemperaturen. "Einmal abgesehen von meinen Sorgen um die Auswirkungen auf das Riff denke ich auch an die Folgen, die die Korallenbleiche auf mein Geschäft hat", sagte Rumney. "Ich habe in den vergangenen vier Jahren zehn Prozent meiner Tauchstätten verloren." Wenn sich das fortsetze - was solle er dann seinen Gästen zeigen?

Der Rentier-Hirte Olav Mathis aus Norwegen erklärte, dass vom Regen stärker vereister Schnee seinen Tieren die Futtersuche schwerer mache. "Ich habe drei Söhne. Einer von ihnen wird hoffentlich die Familientradition fortsetzen. Aber die Zukunft ist unsicher." In wärmeren Wintern überlebten zum Beispiel mehr Parasiten - sein Nachbar habe auf diese Weise durch Infektionen 70 Tiere verloren.

Auch aus diesen Berichten, die der WWF von renommierten Klimaforschern bestätigen lässt, leitet die Umweltstiftung ihren dringenden Aufruf zum schnellen Handeln gegen den Klimawandel ab.

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