Nach dem Großbrand:Wie giftig ist die Londoner Wolke?

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Der Chemiker Georg Matuschek über Gesundheitsschäden durch Ruß.

Annett Zündorf

In einem Treibstofflager der Firmen Total und Texaco 40 Kilometer nordwestlich von London brach am Sonntag nach mehreren Explosionen ein Brand aus, der bis Dienstagabend nicht gelöscht werden konnte. Die Flammen über den zwanzig Tanks loderten mehr als 100 Meter hoch.

Eine gigantische Rußwolke zog erst über Südengland hinweg und dann weiter in Richtung Frankreich. Sie bewegt sich jetzt weiter nach Südwesten und soll am heutigen Mittwoch Nordspanien erreichen.

Der Chemiker Georg Matuschek leitet die Arbeitsgemeinschaft "Partikel und Schadstoffe" am GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg bei München. Dort erforscht er, wie sich Aerosole auf die Gesundheit auswirken. Im Prinzip passiere in der Rußwolke das Gleiche wie bei der Verbrennung von Diesel, sagt der Experte und erklärt die Gefahren, die durch den Brand und die Rußwolke drohen.

SZ:Ist es ungewöhnlich, dass die Rauchwolke so schwarz ist?

Matuschek: Das ist völlig normal. Der schwarze Rauch entsteht bei der Verbrennung von Treibstoff, wenn es zu wenig Sauerstoff gibt.

SZ:Welche Stoffe entstehen sonst noch dabei?

Matuschek:Der Ruß ist reiner Kohlenstoff. Dazu kommen aber noch die so genannten Paks - polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Und außerdem können bei einer unvollständigen Verbrennung auch geringe Mengen von Dioxinen entstehen.

SZ:Wenn ein Treibstofflager brennt, steht aber nicht nur der Treibstoff selbst in Flammen. Was bedeutet das für die Verbrennungsprodukte?

Matuschek:Der Behälter ist lackiert, der Lack verbrennt natürlich auch. Dazu kommen Kabelummantelungen und Armaturen aus Kunststoff, die aus bromhaltigen Flammschutzverbindungen bestehen.

SZ:Welche Gesundheitsschäden können die beim Brand freigesetzten Stoffe verursachen?

Matuschek: Gerade die erwähnten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe verursachen Langzeitschäden wie Krebs, besonders Blasen- und Lungenkrebs.

SZ:Wie gefährdet sind die Menschen in der Nähe des Brandes?

Matuschek:Die Menschen, die in der direkten Umgebung leben und arbeiten, sind am meisten gefährdet. Denn dort entstehen auch große Mengen an Kohlenmonoxid und Kohlendioxid. Diese Gase sind toxisch, wenn nicht genug Sauerstoff vorhanden ist.

SZ:Die Rauchwolke zieht jetzt über Frankreich nach Spanien. Was passiert mit dem Rauch in der Luft?

Matuschek:Die Wolke dehnt sich beim Wandern aus, sie wird durch saubere Luft verdünnt. Die Partikel mit organischen Stoffen reagieren mit Sauerstoff, Ozon und Stickoxiden. Es entstehen Chinone. Diese sind dann zwar in geringerer Konzentration vorhanden, aber potenziell gefährlicher als die Paks.

SZ: Können sich Bestandteile des Rauchs in Böden ablagern und Umweltschäden verursachen?

Matuschek: Mit den Bestandteilen der Wolke verhält es sich genauso wie mit der Verbrennung von Diesel. Aerosole werden in die Luft geblasen und dort verändert. Sie werden zum Beispiel durch Regenfälle aus der Luft ausgewaschen, gelangen in den Boden oder in die Kanalisation und werden dort mineralisiert. Die Aufnahme aus dem Boden ist dann gering.

SZ:Welche Gefahren bestehen für die Menschen in den Gebieten, über die die Rauchwolke zieht?

Matuschek:Die schweren Bestandteile der Wolke haben sich schon am Anfang abgesetzt. Was jetzt Richtung Spanien zieht, das sind Feinstaubpartikel. Die Feinstaubdiskussion ist nicht neu. Einen Anstieg der Konzentration von Feinstaub gibt es zum Beispiel auch während des Wintersmogs in London. Epidemiologische Untersuchungen belegen einen Zusammenhang zwischen der Konzentration von Feinstaub und - neben Lungenerkrankungen - dem Auftreten von Herzkreislauferkrankungen. Normalerweise beträgt die Feinstaubkonzentration in München zwischen 20 und 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Wenn die Konzentration um zehn Mikrogramm steigt, wächst das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, um zehn Prozent. Die Gefahr der Rußwolke ist schwer einzuschätzen. Dort müsste man die Konzentrationen des Feinstaubs und die Höhe der Wolke messen.

SZ:Den Menschen in der Nähe des Brandes wurde von den Behörden empfohlen, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Das klingt verharmlosend. Können sich die Bewohner von Regionen, über die die Rußwolke zieht, auf diese Weise wirklich schützen?

Matuschek:Sich vor Feinstaub zu schützen, ist schwer. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Konzentration von Feinstaub in geschlossenen Räumen und im Freien gleich ist.

© SZ vom 14.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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