Müll im Meer:Verloren im Ozean

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Alte Fischernetze, die im Meer treiben, sind tödliche Fallen für Tiere. Zudem verschmutzen sie das Wasser mit Mikroplastik, das auch in die Nahrungskette des Menschen gelangt. Umweltschutzorganisationen testen jetzt, wie sich die Netze bergen und recyceln lassen.

Verloren gegangene Fischernetze, sogenannte Geisternetze, sind tödliche Fallen für Meerestiere und hinterlassen zudem unzählige Plastikteilchen im Wasser. Doch es ist sehr aufwendig, sie aus dem Meer zu holen und zu recyceln. Die Umweltorganisation WWF hat im Rahmen des internationalen Projekts "Marelitt Baltic" verschiedene Methoden der Verwertung getestet. "Die Ergebnisse sind zum Teil ernüchternd, zum Teil ermutigend", sagte Andrea Stolte vom WWF-Ostseebüro. Auf einem internationalen Workshop in Stralsund beraten in dieser Woche etwa 60 Experten über die Recycelbarkeit von Kunststoffnetzen.

Die Untersuchungen hätten gezeigt, dass schon die Vorsortierung und die Reinigung der aus dem Meer geborgenen Netze extrem schwierig seien, sagt Stolte. Stellnetze enthielten beispielsweise giftiges Blei, das vor der Verwertung aussortiert werden müsse. Die Polyamidfasern von Netzen würden bei der Verarbeitung zerfasern, sodass sie in der "fluffigen" Konsistenz später sehr schlecht zu Granulat einzuschmelzen seien. Es sei erforderlich, organische Materialien wie Fischgräten, aber auch Sand und Schlick zu entfernen. Zudem müssten die Netze nach Kunststoffarten getrennt werden. Das Recycling praktisch und ökonomisch vertretbar umzusetzen, sei schwierig, sagt Stolte. Als bislang beste Methode habe sich das Erhitzen und schließlich Verdampfen der Netze bei sehr hohen Temperaturen von mehr als 1000 Grad herauskristallisiert. Nur bei diesen Temperaturen würden die organischen Moleküle vollständig aufgespalten, giftige Emissionen würden so vermieden. Durch die Zugabe von Wasser während der Reaktion entstehe ein Gas, das zur Herstellung von Wasserstoff für Brennstoffzellen genutzt werden könne.

Wie viele Netze als Geisternetze in den Meeren landen, ist schwer zu beziffern. Nach Schätzungen auf Grundlage einer Studie des polnischen WWF gehen in der Ostsee jährlich 5000 bis 10 000 Netze und Netzteile verloren. Nach Angaben von Greenpeace landen jährlich bis zu 25 000 Fischernetze in europäischen Meeren. Plastik zersetzt sich sehr langsam über Hunderte von Jahren. Kleinere Stücke belasten das Meer als Mikroplastik. Die Teile können über Meerestiere auch in die menschliche Nahrungskette gelangen.

Das "Marelitt Baltic"-Projekt, an dem Fischereigemeinden, Forschungsinstitute und Umweltverbände aus Schweden, Estland, Polen und Deutschland beteiligt sind, untersucht seit zwei Jahren, wie die Kunststoffnetze aus dem Meer geborgen und wiederverwertet werden können und ob sie sich eventuell durch Signalgeber markieren lassen. Der WWF Polen arbeitet zudem an der Erstellung einer Karte mit Hotspots in allen vier Projektländern, auf der Orte mit besonders vielen Geisternetzen identifizierbar sein sollen.

© SZ vom 10.04.2018 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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