Monsanto-Untersuchung:Ungewollt öffentlich

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Der US-Konzern darf eine Studie zu seinem gentechnisch veränderten Mais MON 863 nicht länger geheim halten.

Von Wiebke Rögener

Das entschied nun in letzter Instanz das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster. Damit werden die Versuchsergebnisse erstmals öffentlich.

Greenpeace protestiert auf einer Anbaufläche für genmanipulierten Mais im Oderbruch nahe dem brandenburgischen Seelow. (Foto: Foto: dpa)

Die Umweltorganisation Greenpeace stellte die Studie am Mittwoch in Berlin vor - kurz bevor der EU-Ministerrat voraussichtlich am Freitag über die Importzulassung für den Gentech-Mais entscheidet.

Die Bundesregierung müsse gegen die Zulassung stimmen, forderte Greenpeace.

MON 863 wird in den USA seit dem Jahr 2003 angebaut und produziert ein Bakteriengift, das ihm Abwehrkraft gegen den Maiswurzelbohrer verleiht.

Bei dem Gift handelt es sich um eine neue Variante des Bt-Toxins, die von dem Bt-Toxin in den in Europa zugelassenen Gentech-Sorten abweicht.

Auffälligkeiten an Säugetieren

Für den EU-Zulassungsantrag gab Monsanto eine 90-tägige Fütterungsstudie mit dem Gentech-Mais bei der Firma Covance in Auftrag. Die detaillierten, etwa 1000 Seiten umfassenden Ergebnisse wurden nur den zuständigen Behörden vorgelegt. Für die Öffentlichkeit gab es eine kurze Zusammenfassung mit der Botschaft: "kein Anzeichen für negative Effekte".

Bereits vor gut einem Jahr waren jedoch einzelne Resultate der Studie bekannt geworden, die diesen Satz fragwürdig machten. Vielmehr deuteten die Daten darauf hin, dass MON 863 nicht nur Käfern, sondern auch Säugetieren schadet (SZ, 27.4.2004).

Bei Ratten, die 90 Tage lang mit dem Gentech-Mais gefüttert worden waren, fanden sich Auffälligkeiten: Im Vergleich zu Tieren, die konventionellen Mais fraßen, waren bei einigen Ratten Veränderungen an den Nieren zu beobachten; bei männlichen Nagern stieg zudem die Zahl der weißen Blutzellen an; und bei Weibchen kam es häufiger zu erhöhten Blutzuckerspiegeln.

Obwohl diese Unterschiede statistisch auffällig ("signifikant") waren, seien sie bedeutungslos, argumentierte der Hersteller Monsanto. Bei einer so umfangreichen Studie wie dieser mit zahllosen Fütterungsvergleichen könnten solche Unterschiede rein zufällig auftreten.

Die französische Gentechnik-Kommission fand diese Erklärung unbefriedigend und forderte eine Wiederholung der Versuche. Doch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit folgte Monsantos Argumentation und empfahl die Zulassung für MON 863 als Lebens- und Futtermittel.

"Es ist nicht anzunehmen, dass die Schäden an den inneren Organen der Ratten und dem Blutbild der Tiere auf Zufall beruhen", erklärte dagegen der Gentechnik-Experte Arpad Pusztai, der für die Bundesregierung die Sicherheit von MON 863 bewertet hat, auf der Pressekonferenz von Greenpeace. Er kritisierte die unzureichende Methodik der Studie.

"Wir sind enttäuscht"

Um mögliche Schäden durch MON 863 beurteilen zu können, müssten die gesamten Daten der Fütterungsversuche offen gelegt werden, hatte Greenpeace bereits im vergangenen Jahr gefordert. Im Mai 2004 verlangte der Verband vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Einsicht in die Unterlagen.

Das Amt bat Monsanto um Zustimmung, die der Konzern jedoch verweigerte. Im März dieses Jahres entschloss sich die Behörde dennoch, die Studie herauszugeben; aber Monsanto beantragte eine Eilverfügung dagegen und stoppte die Veröffentlichung zunächst. Am 9. Juni entschied das Verwaltungsgericht Köln, die Akten seien freizugeben. Diese Entscheidung bestätigte der 8. Senat des OVG Münster nun.

Das Betriebsgeheimnis, auf das sich Monsanto beruft, gelte im Anwendungsbereich des Gentechnikrechts nur eingeschränkt, so das Gericht. Vom Geheimnisschutz sei "die Beurteilung der vorhersehbaren Wirkungen, insbesondere schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt" ausgenommen. Dabei genügt es nach Auffassung der Richter nicht, nur eine Zusammenfassung der Studie zu veröffentlichen.

"Wir sind enttäuscht von diesem Urteil", sagte Monsanto-Sprecher Andreas Thierfelder. Er befürchtet, die Konkurrenz könnte künftig die Monsanto-Daten nutzen, um ihre Gentech-Sorten rascher durch das Zulassungsverfahren zu bringen. "Ob die EU-Behörden neue Fütterungsstudien für jede gentechnisch veränderte Kulturpflanze verlangen werden, ist nicht sicher."

Da das jetzt verkündete Urteil nur das Eilverfahren, nicht aber das noch laufende Hauptverfahren betrifft, hofft Thierfelder weiterhin auf ein für seinen Konzern günstigeres Urteil. In der Sache allerdings könnte das ohnehin nichts mehr ändern. Schließlich wurde die Studie am Mittwoch veröffentlicht. Zurückholen lassen sich diese Informationen so wenig wie einmal freigesetzte Gentech-Pflanzen aus der Umwelt.

© SZ vom 23.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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