Mission:Wissen für jedes Lebensalter

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Die Tagung unterstützt seit Jahren Schulunterricht und stellt Inhalte zur Verfügung. Jedes Jahr besucht auch ein Nobelpreisträger eine Schule. Dieses Jahr ist es Stefan Hell.

Von Miriam Hoffmeyer

Anke Richert hört man die Begeisterung immer noch an, wenn sie sich an die Lindauer Nobelpreisträgertagung vom vergangenen Jahr erinnert. "Es war ein unglaubliches Erlebnis, mit hochrangigen Wissenschaftlern einfach so ins Gespräch zu kommen", schwärmt die Gymnasiallehrerin, die in Bretten Biologie, Chemie und Erdkunde unterrichtet. Weil Anke Richert auch Kursleiterin beim Hector-Seminar zur Förderung naturwissenschaftlich Hochbegabter ist, begleitete sie zwei Schüler zum traditionellen Ausflug am Ende der Lindauer Tagung. Beim Picknick auf der Insel Mainau kam es immer wieder vor, dass sich Wissenschaftler und Doktoranden nach ihrem Forschungsgebiet erkundigten. "Ich habe geantwortet, dass ich nur Lehrerin bin", erzählt Richert. "Die typische Reaktion war: 'Ihr Beruf ist so unglaublich wichtig, ohne Sie finden wir keinen Nachwuchs, Sie wecken den Forscherdrang bei Kindern!' Eine solche Würdigung meiner Arbeit hatte ich noch nie erlebt."

Die Förderung von gutem Unterricht in den Naturwissenschaften ist ein Ziel, das sich die Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertagungen schon vor einigen Jahren gesetzt hat. Während jeder Tagung geht ein Nobelpreisträger in eine Lindauer Schule, um dort eine Unterrichtsstunde abzuhalten oder einfach von seinem Alltag als Wissenschaftler zu erzählen.

Dieses Jahr macht das Stefan Hell, der 2014 für die Entwicklung einer neuen Mikroskopie-Technik den Chemienobelpreis erhielt. "Ich finde es wichtig, dass die Institution Schule und sehr engagierte Lehrer einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft einnehmen", sagt Professor Hell. "Unsere sozialen Errungenschaften und unser Wohlstand sind mehr als wir denken auf naturwissenschaftlichem Fortschritt aufgebaut."

Dieser Zusammenhang müsse in den Schulen früh vermittelt werden: "Sonst kann leicht der Eindruck entstehen, dass all das, was unser Leben so lebenswert und schön macht, nicht über Jahrhunderte erarbeitet wurde, sondern einfach nur so da war. Das wäre eine fatale Illusion!" Der Beitrag engagierter und hoch motivierter Lehrer zum Wohlstand der Gesellschaft, meint Hell, könne deshalb "nicht hoch genug" eingeschätzt werden.

Seit 2011 gibt es das "Teaching Spirit"-Programm in Lindau: Ausgewählte Lehrer naturwissenschaftlicher Fächer, die sich durch besonderes Engagement ausgezeichnet haben, werden zur Tagung eingeladen. In einem speziellen Workshop können sie sich Anregungen für besonders anschaulichen und leicht verständlichen Unterricht holen. Außerdem können die Lehrer Vorträge hören und bei einem Mittagessen die Nobelpreisträger kennenlernen.

Die "Teaching Spirit"-Teilnehmer - bisher insgesamt 120 Lehrer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz - werden von Landesbildungsministerien und verschiedenen Stiftungen nominiert. Im vergangenen Jahr war Annette Bös aus Ravensburg dabei. Die Biologin und promovierte Sportwissenschaftlerin, die auch Ethik unterrichtet, interessiert sich sehr für neue wissenschaftliche Entwicklungen. Das versucht sie auch ihren Schülern nahezubringen, etwa indem sie den aktuellen Medizinnobelpreis, wann immer es möglich ist, in ihren Biologieunterricht einbezieht. "Was in den Schulbüchern steht, ist oft schon veraltet", sagt Annette Bös. "Heutige Modelle können in fünf oder zehn Jahren schon wieder anders aussehen. Ich versuche, im Unterricht zu vermitteln, dass Forschung sich ständig weiter- entwickelt." Außerdem möchte sie erreichen, dass ihre Schüler nicht in Schubladen denken, sondern vernetzt: "Sie sollen verstehen, dass Naturwissenschaften miteinander zusammenhängen."

Ziel ist es, mit der Mediathek möglichst alle Lehrer einfach zu erreichen

Das beste Beispiel dafür, wie Forschung die Grenzen von Fachgebieten überschreitet, ist wohl die Karriere des Physikers Stefan Hell, der den Nobelpreis für Chemie bekam - obwohl er Chemie nach der zehnten Klasse abgewählt hatte.

Während jedes Jahr nur einige Lehrer von dem "Teaching Spirit"-Programm profitieren, soll die Mediathek der Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertagungen möglichst viele Pädagogen erreichen. Seit 2014 kooperiert die Stiftung mit dem Online-Portal "mebis - Landesmedienzentrum Bayern", das neben einem Infoportal und einer Lernplattform auch zahlreiche digitale Bildungsmedien für bayerische Lehrer bereitstellt. Mebis enthält fast 40 Filme aus der Lindauer Mediathek. Neben "NobelLabs 360°" - virtuellen Rundgängen durch die Büros von Nobelpreisträgern - sind vor allem die "Mini Lectures" gefragt. Die animierten Videoclips vermitteln auf unterhaltsame Weise in etwa zehn Minuten Basisinformationen zu Themen wie Fotosynthese, Quantenmechanik, Proteinen oder Elementarteilchen. Eingefügt sind Tondokumente früherer Nobelpreisträger. Am beliebtesten ist bisher die Mini Lecture "Umweltschutz" mit fast 500 Mebis-Aufrufen. Obwohl die meisten Clips eher für höhere Klassen geeignet sind, seien einige auch an Grundschulen verwendbar, sagt Bartholomäus Zenderowski vom bayerischen Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung: "Ziel ist, alle Lehrkräfte zu erreichen."

Seit einem Jahr sind Inhalte der Lindauer Mediathek für Lehrer in Baden-Württemberg über das Portal "Sesam" zugänglich. "Wir sind sehr zufrieden, das Material ist hochwertig und gerade die Animationen sehr ansprechend für Schüler", meint Tanja Rix vom Landesmedienzentrum Baden-Württemberg. Auch Rheinland-Pfalz, Hamburg und das österreichische Bundesland Vorarlberg kooperieren schon mit der Lindauer Mediathek. Dort will man noch mehr Archivschätze heben und aufbereiten, auch um weitere Mini Lectures für den Unterricht zu produzieren.

Den Lehrerinnen Annette Bös und Anke Richert ist es besonders wichtig, mit ihren Schülern auch mal die Schule zu verlassen, um zu Vorträgen und Ausstellungen, in Universitäten und Labors zu gehen. Sie ermutige ihre Schüler immer, neugierig zu sein, den Wissenschaftlern Fragen zu stellen und sich ruhig auch nach Praktikumsplätzen zu erkundigen, sagt Richert: "Nichts kann so viel bewirken wie persönliche Begegnungen!"

Zu finden sind die NobelLabs 360° und die Mini Lectures unter www.mediatheque.lindau-nobel.org

© SZ vom 30.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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