Mission STS-114:All oder Nichts

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Vom Erfolg der für heute angesetzten Spaceshuttle-Mission hängt die Zukunft der Raumfahrt ab.

Von Patrick Illinger

So wie er jetzt dasteht, auf der Startplattform in Cape Canaveral, bereit zum Abschuss, wirkt der Spaceshuttle fast vertraut. Wie ein Specht am Baumstamm hängt die geflügelte Raumfähre an dem bauchigen Treibstofftank, mit den spitzen Feststoff-Boostern an den Seiten, in den Himmel blickend. Zweieinhalb Jahre nachdem die Columbia in der Atmosphäre verglüht ist, sind die Amerikaner nun erneut am Start, um mit dem Schwesterschiff Discovery ihren Ruf als führende Weltraumnation wieder zu festigen.

Man kann sich vorstellen, mit welcher Anspannung Amerika und die Nasa in diesen Stunden nach Florida blicken. Viel hat die US-Raumfahrtbehörde getan, um ein weiteres Unglück auszuschließen. Von der Spitze bis zum Auspuff wurde der Spaceshuttle komplett überholt und erneuert. Doch 720 Tonnen hochexplosiver Treibstoff sind nie risikofrei, und so ist der Moment gekommen, an dem die Nasa trotz bleibender Bedenken wieder Menschen in den Weltraum schießen will.

Diesmal jedoch ist vieles anders als 1988, als es galt, die Schmach des Challenger-Unglücks zu tilgen. Ein weiteres Shuttle-Unglück zum jetzigen Zeitpunkt wäre das vorläufige Ende der bemannten Raumfahrt und insbesondere der von George W. Bush angestrebten Mondlandung. Das Leben weiterer Astronauten würden die Amerikaner nicht riskieren.

Und ein Hauch von Tragik liegt über dem jetzigen Comeback des Spaceshuttle: Eigentlich will die Raumfähre niemand mehr haben. Bis 2010, so hat es die Nasa längst beschlossen, sollen die Shuttles ins Museum. Um tiefer ins Weltall vorzudringen, zum Mond oder gar zum Mars, ist die Raumfähre nicht geeignet. Das in den siebziger Jahren konstruierte Fluggerät schafft es nur bis in den erdnahen Weltraum, und das zu einem Preis, der schwindelig macht.

Mehr als 500 Millionen Dollar kostet jede Mission. Das Versprechen von einst - preisgünstiger Pendelverkehr zwischen Erde und Orbit - hat der Spaceshuttle nie eingelöst. Notwendig war seine Restauration eigentlich nur, weil die Internationale Raumstation ISS sonst zu einem russischen Waisenhaus verkommen wäre.

Streben nach Höherem

Stünden keine weltpolitischen Verwerfungen im Weg, würden die USA den Shuttle lieber heute als morgen einmotten und die ISS im Ozean versenken. Der Präsident und die Nasa streben nach Höherem. Eine Armada von Nasa-Technikern musste drei Jahre lang ein veraltetes und ungeliebtes Vehikel aufmotzen, damit es nun als sündteurer Pausenfüller dient. Das taugt nicht als Heldenepos.

Die ISS und der Shuttle gehören zu den größten und teuersten Fehlentscheidungen, die je getroffen wurden. Doch das hindert den amtierenden US-Präsidenten nicht daran, schon jetzt die nächsten Megaprojekte, Mond- und Marsflüge, anzugehen. Dem steht nur noch ein Grundproblem der bemannten Raumfahrt entgegen: Der eine Irrsinn muss zu Ende gebracht werden, bevor man mit dem nächsten Irrsinn beginnen kann.

© SZ vom 13.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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