Menschlicher Fossilienfund:Lucys Baby

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In Äthiopien fand ein Anthropologe ein drei Millionen Jahre altes Mädchen-Skelett. Es gehörte zu den Vorfahren unserer Spezies und ist eine Mischung aus Hominide und Primat.

Daniel Bächtold

Einen Fund dieser Art gibt es selten. Entsprechend euphorisch ist der Anthropologe Zeresenay Alemseged. Er fand in der äthiopischen Region Dikika zusammen mit Kollegen die 3,3 Millionen Jahre alten Überreste eines kleinen Mädchens. Das Exemplar der Hominiden-Art Australopithecus afarensis steht damit am Anfang unserer Ahnengalerie. Gemäß einer Analyse seiner Zähne war das Kind bei seinem Tod drei Jahre alt (Nature, Bd. 443, S. 296, 2006).

Das Skelett sei in einem außergewöhnlich guten Zustand, sagt Zeresenay Alemseged, der am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig arbeitet und die Ausgrabung geleitet hat. Schädel, Zähne, Oberkörper, Arme und Beine sind beinahe vollständig erhalten. Daneben fanden Alemseged und seine Kollegen Knochen, die bis heute bei Fossilien aus dieser Zeit fehlen oder nur unvollständig erhalten sind, etwa das Zungenbein oder das Schulterblatt.

Fund ist "Mine von Informationen"

Noch sind nicht alle Überreste des Kindes vom Sandstein befreit. Schon jetzt sei aber sicher, dass man deren Bedeutung nicht hoch genug einschätzen könne, erklären Experten.

Beim Fund handle es sich um eine "Mine von Informationen über eine entscheidende Phase in der menschlichen Evolution", begeistert sich Bernard Wood von der amerikanischen George Washington University, der selbst nicht an dem Skelettfund beteiligt war.

Forscher könnten nun anhand des Kinderskeletts untersuchen, wie sich der Körperbau vom Kind hin zum Erwachsenen veränderte und wie schnell sich Kinder während dieser Phase der menschlichen Evolution generell entwickelten.

Überreste von Australopithecus afarensis, der vor vier bis drei Millionen Jahren lebte, sind bis heute in Tansania, Kenia und Äthiopien aufgetaucht. Die wohl bekannteste Vertreterin dieser Art ist Lucy, deren Skelett Paläontologen 1974 im äthiopischen Hadar fanden. Die Region Dikika liegt unmittelbar südlich von Hadar auf der anderen Seite des Flusses Awash.

Kletternd und aufrecht gehend unterwegs

Lucy und das nun von Alemsegeds Team entdeckte Mädchen nehmen eine zentrale Stellung im Stammbaum des modernen Menschen ein. Sie gelten als die letzten gemeinsamen Vorfahren mehrerer Abstammungslinien von Hominiden, zu denen auch der moderne Mensch gehört.

Australopithecus afarensis vereint Merkmale von Hominiden und Primaten. Er konnte eindeutig aufrecht gehen. Gleichzeitig gibt es aber auch Hinweise dafür, dass er in Bäumen kletterte - allerdings wird diese Art der Fortbewegung von einigen Forschern angezweifelt. Der neue Fund könnte nun helfen, diese noch offene Frage zu klären.

"Unser Fossil bestätigt, dass diese Art auf zwei Beinen ging", erklärt Alemseged. Merkmale am Oberkörper würden aber auch auf eine kletternde Lebensweise hinweisen. Beispielsweise seien die Finger lang und gebogen. "Ich habe das Gefühl, dass diese Typen gelegentlich in einen Baum geklettert sind", erklärt der Leipziger Forscher. Für ein abschließendes Urteil müsse das Skelett allerdings noch genauer untersucht werden.

Neue Erkenntnisse versprechen sich die Forscher auch vom Zungenbein. Dieser kleine Knochen im Halsbereich könnte Aufschluss über die Lautsprache geben, die das Mädchen und seine Verwandten verwendeten. Seit fünf Jahren arbeitet Alemseged bereits in Dikika, doch ein Ende ist nicht abzusehen. "Es wird noch einiges kommen."

© SZ vom 21.09.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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