Meeresforscher Hervé Claustre:"Wir müssen verstehen, was in der Tiefe passiert"

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Hervé Claustre arbeitet am Laboratoire d'Océanographie in Villefranche-sur-Mer, einer Einrichtung der französischen Forschungsorganisation CNRS. (Foto: Soclim)

Tausende Roboter schwimmen schon im Ozean, viele weitere sollen noch hinzukommen: Meeresforscher Hervé Claustre über die geheime Welt von Plankton, Licht und Geräuschen im Meer.

Interview Von Marlene Weiss

Es sind aufregende Zeiten für Ozeanforscher: Der Klimawandel hat dramatische Veränderungen angestoßen. Neue Beobachtungsmethoden mit Satelliten und automatischen, schwimmenden Messinstrumenten geben ungeahnte Einblicke in die immer noch fremde Welt der Meere. Dazu gehört das Vorhaben, an dem der französische Ozeanologe Hervé Claustre arbeitet. Kürzlich erklärte er während der "Monaco Ocean Week", warum er Hunderte Roboter in den Ozeanen aussetzen will.

SZ: Welche Erkenntnisse könnte Ihr Roboter-Schwarm bringen?

Hervé Claustre: Es gibt ja bereits 4000 solche Roboter, die sich zwischen der Oberfläche und 2000 Meter Tiefe bewegen und Temperatur und Salzgehalt des Wassers überall auf der Welt messen, das ist das "Argo"-Programm. Die Daten sind frei zugänglich, sie werden etwa für Wetterberichte gebraucht. Wir wollen es erweitern, "biogeochemical Argo" heißt das, und auch biologisch-chemische Eigenschaften wie pH-Wert, Sauerstoff-Gehalt oder Chlorophyll-Anteil im Wasser messen.

Warum wurde das bislang nicht erfasst?

Man braucht dafür Roboter, die jahrelang stabil funktionieren, hohen Druck und Salzwasser aushalten und wenig Energie verbrauchen. Das ist die Herausforderung, die erst seit Kurzem machbar erscheint. Mittelfristig peilen wir 1000 Stück an.

Das wird teuer.

Ja, etwa 25 Millionen Euro jährlich.

Das geht ja noch - für so ein ambitioniertes Projekt.

Ach, da bin ich aber froh, dass Sie das so sehen. Normalerweise sagen die Leute, das sei unmöglich. Immerhin haben wir schon die ersten 200, sie wurden unter anderem mit europäischem Forschungsgeld bezahlt. Für die noch fehlenden Sonden hoffen wir auf ein internationales Programm, auch wenn das mit der neuen US-Regierung sicher nicht einfacher wird. Zu den Sensoren übrigens noch: Wir messen auch die Farbe des Lichtes, das in den Ozean dringt.

Das Licht? Warum will man das wissen?

Damit kann man bestimmen, welche Substanzen im Wasser sind. Es ist das gleiche Prinzip wie bei Satellitenmessungen: Wo das Wasser grün ist, ist viel pflanzliches Plankton. Wo es blau ist, weniger.

Und wie funktioniert so ein Roboter?

Ah, das ist ziemlich elegant! Es sind Röhren, etwa zwei Meter lang, 30 Zentimeter Durchmesser. Die Messung beginnt bei 2000 Meter Tiefe. Im Innern der Röhre ist Öl, und sobald der Roboter auftauchen soll, wird es in eine außen angebrachte Blase gepumpt. Das vergrößert das Volumen und verleiht dem Roboter Auftrieb. Wenn er an der Oberfläche angekommen ist, schickt er seine Messdaten an einen Satelliten. Dann wird das Öl nach innen gepumpt, und er sinkt wieder ab. Nach zehn Tagen geht der Zyklus von vorne los.

Wird man damit künftig besser verstehen, was Erwärmung und Versauerung mit dem Ozean machen?

Auch. Die Veränderungen sind nicht zu leugnen, aber mir geht es vor allem einfach um bessere Beobachtungen. Der Ozean ist viel zu wenig untersucht. Selbst wir schauen nur die obersten 2000 Meter an, dabei ist der Ozean im Schnitt 4000 Meter tief; wir müssen anfangen zu verstehen, was in der Tiefe passiert, wie sich das Meer dort erwärmt. Physiker arbeiten schon an "Deep Argo", sie entwickeln Prototypen für Tiefseeroboter. Neue Sensor-Generationen werden Töne speichern und Bilder machen, dann können wir auch das tierische Plankton beobachten. Darüber wissen wir noch gar nichts, dabei ist es ein wesentlicher Teil der Nahrungskette. Dafür brauchen wir aber ein intelligentes System, das selbst entscheidet, welche Informationen es sendet. Wir fangen gerade erst an.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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