Meeresbiologie:Gift im Riff

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Ein großer Teil der weltweit gehandelten exotischen Meeresaquarienfische wird illegal mit Zyanid gefangen. Ein Ökosiegel soll dies nun verhindern.

Beate Kittl

Ein Schwung mit dem Kescher und der Clownfisch hängt im Netz. Made Aryawan taucht auf und lässt das Tier sorgsam in einen mit Wasser gefüllten Plastikbeutel plumpsen.

Acht Cent erhalten die Fischer in Indonesien für einen Clownfisch, immerhin fünf Euro für einen Doktorfisch. (Foto: Foto: ddp)

Der fingerlange, orange-weiße Fisch hat eine weite Reise vor sich: Von der Nordküste Balis wird er bis in ein Meeresaquarium in Amerika oder Europa transportiert werden.

Früher hätte Made Aryawan die Fische mit einem Spritzer Zyanidlösung betäubt und eingesammelt. Diese Methode war für den Fischer viel einfacher, doch das Zyanid schwächt die Fische, zerstört die Korallen und ist für Menschen hochgiftig. Heute benützt Aryawan feine Nylonnetze, die er vorsichtig über die Korallen stülpt; dann angelt er die Riffbewohner vorsichtig heraus. Er sammelt nur noch bestellte Fische.

"Ich will keine Korallen zerstören"

Aryawan gehört zu einer Gruppe von 21Fischern, die mit dem Gütesiegel des Marine Aquarium Council (MAC) ausgezeichnet wurden - das weltweit einzige für Aquarienfische. Ziel ist es, eine Zulieferkette für Aquarienfische zu schaffen, die nicht nur die Riffe schützt, sondern auch das Einkommen und die Gesundheit der Fischer sichert und die horrenden Transportverluste reduziert.

"Ich will keine Korallen zerstören", sagt Aryawan, der im korrekten Umgang mit dem Netz und den gefangenen Fischen geschult wurde. "Sonst gibt es in Zukunft keine Fische mehr."

Der Inselstaat Indonesien ist der weltgrößte Lieferant für Rifforganismen. Doch bis heute wird ein großer Teil der etwa 35 Millionen weltweit gehandelten Meeresaquarienfische illegal mit Zyanid gefangen. In Indonesien, so schätzt die Meeresschutzorganisation Seaweb, sind es noch immer 90 Prozent. "Davon ist unter Aquaristen wenig bekannt", sagt Hans Gonella, Präsident des Vereins Aquarium Zürich.

Inzwischen besitzen 227 Fischer in Nordbali das MAC-Siegel. Sie liefern ihre Fische an ebenfalls zertifizierte Zwischenhändler wie Gede Arsayana. Der Fischexperte kauert auf einem Schemel neben einem knietiefen, weiß gekachelten Becken, in dem glasklares Wasser sprudelt, und zählt Aryawans Fang.

"Sattelfleck-Anemonenfisch", sagt er, ein Gehilfe trägt es in eine Liste ein. "Orient-Süßlippe, Streifensüßlippe, gemeiner Wimpelfisch." Fische mit Verletzungen oder kaputten Flossen werden aussortiert, sie dürfen zurück ins Meer, versichert Arsayana. Die Zahlen kommen in eine Datenbank, anhand derer künftig Fangquoten bestimmt werden sollen.

Manche zertifizierte Fischer kehren zum Zyanid zurück

Die heutige Ausbeute hat Aryawan 106.000 Rupiah, knapp sieben Euro, eingebracht. Ein Problem sind die niedrigen Preise: "Die zertifizierten Fische sind genauso billig wie die mit Zyanid gefangenen", sagt Arsayana.

Acht Cent für einen Clownfisch, zwei Cent für einen Füsilier, immerhin fünf Euro für einen blauen Doktorfisch. Im Laden kostet er bis zu 54 Euro. "Handel und Konsumenten wollen für den Schutz der Ressourcen nicht bezahlen", sagt Gayatri Reksodihardjo-Lilley von der indonesischen Stiftung Lini, die Fischer und Händler für den MAC ausbildet. So kehren viele Fischer - zum Teil auch zertifizierte - zum Zyanid zurück.

Dabei ist die Qualität netzgefangener Fische deutlich besser. "Ich verliere kaum welche", sagt Arsayana. Im internationalen Handel sind Verluste zwischen 30 und 80 Prozent üblich. Von Tieren, die mit Zyanid gefischt wurden, gehen vier Fünftel innerhalb weniger Tage ein. Von den im Netz gefangenen und korrekt transportierten Fischen sind es weniger als zehn Prozent.

Bisher stammen von den mehr als 35 Millionen Meereszierfischen, die jährlich weltweit gehandelt werden, höchstens zwei Prozent aus zertifizierten Fanggebieten. Die Kontrolle der Standards in Entwicklungsländern ist schwierig, und manche kritisieren den langsamen Fortschritt von MAC. Der Fischbiologe Peter Rubec spricht gar von Weißwäscherei: "MAC bietet einen Deckmantel für einen illgalen Handel, der Riffe und Fische tötet."

Ein MAC-Kader gestand unlängst: "Wir haben Millionen ausgegeben - mit bescheidenen Resultaten." Bei solchen Problemen sehen viele Händler die Zukunft in der Nachzucht. Das Problem ist allerdings wieder der tiefe Preis der Wildfänge. So kann man mittlerweile die stark bedrohten indonesischen Banggai-Kardinalsfische nachzüchten, doch die Zuchtfische sind nicht konkurrenzfähig: Ein Wildfang der schwarz-weiß getupften Winzlinge kostet weniger als drei Cent.

© SZ vom 07.01.2009/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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