Laufroboter:Fortschritt auf klobigen Füßen

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Mit Plastikspielzeug als Vorbild haben Roboterforscher neue Laufroboter entwickelt, die fast so effizient gehen wie der Mensch.

Von Christopher Schrader

Die Inspiration könnte aus einer Cornflakes-Packung stammen. Dort findet der Käufer bisweilen kleine Plastikspielzeuge, die nach erfolgreichem Zusammenbau eine schiefe Ebene herunterwatscheln.

Roboterforscher sehen darin den Startpunkt ihrer Wissenschaft. Sie haben immer bessere so genannte passive dynamic walkers konstruiert: Gestelle aus Metallstäben, Gelenken und Platten, die ohne Steuerung oder Antrieb stabil bergab gehen.

Und jetzt haben Arbeitsgruppen von der Universität Delft, der Cornell University und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) auf dieser Basis drei Roboter entwickelt, die auch in der Ebene vorankommen.

Dabei verbrauchen sie deutlich weniger Energie als Kreaturen wie "Asimo" von Honda oder "Qrio" von Sony.

Beide vollführen jede Bewegung unter voller Kontrolle ihrer Muskeln - und eingebauten Computer - und bremsen dabei teilweise den Schwung, der beim Gehen entsteht.

Diesen zu nutzen, darauf sind die drei neuen Roboter angewiesen. Der sparsamste unter ihnen stammt von der Cornell University. Das Team um Andy Ruina und Steven Collins, der inzwischen an der University of Michigan arbeitet, hat seine Konstruktion explizit auf geringen Energieverbrauch ausgelegt:

Mit der Energie eines gehenden Menschen

Drei Watt mechanischer Leistung braucht die Maschine, um ihre Beine zu bewegen; rechnet man den dafür nötigen Stromverbrauch von Elektronik und Motoren aus, ergibt sich ein Wert von elf Watt elektrischer Leistung.

Damit kommt der Cornell-Roboter etwa mit der gleichen Energie aus, die ein gehender Mensch verbraucht, wenn man Gewicht und Tempo berücksichtigt.

Die Steuerung der Maschine ist simpel: In dem Moment, in dem zum Beispiel die "Ferse" des linken Beins vorn den Boden berührt, stößt sich der rechte Fuß hinten ab. Dazu haben die Forscher Federn an die Beine gebaut, die von kleinen Motoren gespannt werden, während das Bein nach vorn schwingt; die Federn lösen das nächste Abstoßen aus.

Auf dem Weg nach vorn knickt das Bein - wie beim Menschen - im Knie ein. Um dabei das Gleichgewicht zu halten, schwingt mit dem rechten Oberschenkel der linke Arm samt der hier befestigten Batterie nach vorn; beide Extremitäten sind starr verbunden. Der kleine Oberkörper mit den aufgeklebten Augen wird rein mechanisch aufrecht gehalten.

Ähnlich funktioniert der Roboter aus Delft. Er trägt in seinem Oberkörper eine Kohlendioxid-Kartusche, die "Luftmuskeln" an der Hüfte speist. Sie lassen das hintere Bein nach vorn schwingen, sobald das vordere den Boden berührt.

Der Druck des Gases reicht aus, um den Roboter 30 Minuten lang mit einem Tempo von knapp 1,5 Kilometern pro Stunde vorwärts marschieren zu lassen.

Seine speziell konstruierten Fußgelenke stabilisieren ihn auch, wenn er zur Seite zu fallen droht: Er läuft eine Kurve, um den Sturz in die gleiche Richtung zu vermeiden. Diesen Trick haben die Forscher bei Fahrradfahrern abgeschaut.

Bei beiden Maschinen ist das "Gehirn" äußerst primitiv: Der Cornell-Roboter kommt mit einem Programm von 68 Zeilen aus, sein Prozessor muss nur etwa 20 Bits Information pro Schritt verarbeiten.

Noch sparsamer ist der Kollege aus Delft: 30 Zeilen Programm, sechs Bits pro Schritt.

Allerdings erscheint beider Konstruktion verbesserungswürdig: Ständig ging bei den Versuchen etwas kaputt. Zudem mussten beide von einem Menschen gestartet werden, aus dem Stand loslaufen konnten sie nicht.

Wie ein Pinguin

Das hingegen ist dem Roboter vom MIT gelungen. Der "Toddler" ist kleiner als die anderen beiden und viel schlauer: Er kontrolliert sein Gehverhalten und lernt, die Schritte zu optimieren.

Auf seinen knielosen Beinen schaukelt er zunächst wie ein Pinguin hin und her, bis er genug Energie hat, um ein Bein in der Hüfte nach vorn zu schwingen. Bei jedem Schritt überwacht er dann, wie schnell er zur Seite pendelt, und versucht diesen Wert durch leichte Korrekturen mit dem Fußgelenk konstant zu halten.

Das gelingt ihm nach dem Start innerhalb von etwa 600 Schritten. Durch den Lernmechanismus kann er sich auch verschiedenen Untergründen anpassen: Parkett, Steinfußboden oder Teppich.

Alle drei Konstruktionen belegen die These vieler Roboterforscher, dass die Intelligenz mancher Maschinen zunächst in ihrem Körper liegen sollte. "Der Körper erspart dem Gehirn viel von der sonst nötigen Verarbeitung von Informationen", sagt Rolf Pfeifer, Leiter des Labors für künstliche Intelligenz an der Universität Zürich.

Und offenbar nutzt auch der Mensch selbst diesen Einspareffekt. Die Erfinder der Roboter jedenfalls beteuern, aus ihren Maschinen können man auch etwas über den menschlichen Gang lernen.

© SZ vom 18.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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