Kritik an der Fehmarnbelt-Verbindung:Tödliche Barriere in der Ostsee

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Umweltschützer wollen eine riesige Brücke zwischen Deutschland und Dänemark verhindern. Vom Bau aufgewirbelte Sedimente würden das Binnenmeer auf Jahre braun färben.

Robert Lücke

Im Juli haben sich Dänemark und Deutschland auf den Bau einer Fehmarnbelt-Brücke geeinigt - nach zähen, 15 Jahre dauernden Verhandlungen. 2011 soll der Bau beginnen, und voraussichtlich 2018 wird die 5,6 Milliarden Euro teure Brücke fertig sein, die Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf der dänischen Insel Lolland verbindet.

Was für Autofahrer und Bahnreisende, die bislang auf Fähren angewiesen waren, eine Erleichterung bedeutet, könnte allerdings für das Ökosystem der Ostsee gravierende Folgen haben, warnen Naturschutzverbände. Vor allem für Zugvögel sei das Bauwerk eine ernste Gefahr.

Mehr als 100 Millionen Vögel ziehen jährlich über die Wasserstraße, deshalb wird die Strecke auch Vogelfluglinie genannt. Die Brückenpfeiler und die bis zu 280 Meter hohen Pylonen der Tragekonstruktionen würden, so errechnete die Naturschutzorganisation Nabu, etwa 100000 Vögeln jährlich das Leben kosten. Schon heute sterben an der weiter nördlich gelegenen Öresundbrücke an manchen Tagen in Frühjahr und Herbst bis zu 1000 Zugvögel, sagt Malte Siegert vom Nabu. ,,Die meisten in Ost-West-Richtung ziehenden Wasservögel fliegen in Höhen von 80 bis 160 Metern und würden genau auf die Brückenkonstruktion treffen.''

Auf der 19 Kilometer langen Strecke müssten zudem etwa 70 Pfeiler in den Boden der Ostsee gerammt werden. Aufgewirbelte Sedimente würden das Binnenmeer auf Jahre braun färben und den Lebensraum bedrohter Arten wie Schweinswale und Seehunde gefährden. "Wir werden daher jede Möglichkeit nutzen, um das Projekt zu verhindern" kündigt Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller an.

Kritik kommt auch von den schleswig-holsteinischen Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband sowie Tourismusmanagern auf Fehmarn, die Beeinträchtigungen durch eine Langzeit-Großbaustelle erwarten. Außerdem klagt die Fährwirtschaft, die jahrzehntelang gut am Transport von Autos, Lastwagen und Personenzügen verdiente.

Zuständigkeiten unklar

Ende Juni vermeldete zudem das Leibnitz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde, dass an den Pfeilern der Brücke über den benachbarten Großen Belt zwischen den dänischen Inseln Seeland und Sprogø Turbulenzen im Wasser festgestellt worden seien.

Bislang strömt kaltes, salzhaltiges und sauerstoffreiches Wasser durch den Kattegat aus der Nordsee nach Osten, dafür fließt oben brackiges, sauerstoffarmes Ostseewasser ab. Würde das Nadelöhr des Fehmarnbeltes weiter verengt, könnte dieser Austausch zum Erliegen kommen. So würde weniger sauerstoffreiches Salzwasser in die ohnehin sauerstoffarmen tiefen Bereiche der Ostsee gelangen, sagt der Meeresphysiker Hans Burchard vom Leibniz-Institut. Allerdings wisse man noch nicht, wie stark der Effekt einer weiteren Brücke sei.

Indirekte Unterstützung erfuhren die Umweltschützer jüngst auch vom Bundesamt für Naturschutz (BfN). Bislang sei das BfN überhaupt nicht in die Planungen einbezogen worden, sagte BfN-Präsident Hartmut Vogtmann Ende Juni bei einem Besuch auf Fehmarn. Wegen der ökologischen Risiken für die sensible Ostsee sei eine Ablehnung des Projekts ,,nicht unwahrscheinlich'', es gelte das Vorsorgeprinzip, das zweifelsfrei schwerwiegende Umweltbelastungen ausschließen müsse.

Im Bereich der Brücke liegen Teile eines großen Meeresschutzgebietes, für das das BfN eine Umweltverträglichkeitsprüfung erstellen müsste. Deren Ergebnis ist ungewiss, und über ein negatives Votum könnten sich deutsche und dänische Politiker nicht so ohne weiteres hinwegsetzen. Das ginge nur mit einer Ausnahmegenehmigung der EU. "Wir sind aber keine Verhinderungsbehörde", sagt Franz Emde vom BfN. Sollte die geplante Brücke mit dem Naturschutz unverträglich sein, werde man alternative Trassenführungen vorschlagen. Solche Großprojekte habe das Bundesamt zwar noch nicht zu untersuchen gehabt, vergleichbar seien aber Offshore-Windkraftanlagen im Bereich des Nationalparks Wattenmeer in der Nordsee gewesen. Dort habe man Standorte gefunden, die für Fische und Wasservögel ungefährlich waren, sagt Emde.

Ein weiteres Argument gegen den Brückenbau ist für den Nabu der starke Schiffsverkehr in der Region. 60.000 Schiffe fahren jedes Jahr durch den Fehmarnbelt, darunter viele mit Öl-Fracht. Durch den Bau der Brücke verenge sich die bislang acht Kilometer breite Fahrrinne auf nur zweimal je 750 Meter. Käme es zu einer Kollision mit einem Pfeiler, könnte dies zu einer Umweltkatastrophe in der Ostsee führen.

Im Übrigen sei völlig unklar, ob Deutschland und Dänemark überhaupt das Recht haben, alleine über den Bau zu entscheiden. Drei Seemeilen südlich von Rødby und drei Seemeilen nördlich von Puttgarden beginnen internationale Gewässer. "Dafür sind nicht die Regierungen in Kopenhagen und Berlin zuständig, sondern die internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO. Ob sie die Genehmigung erteilt, wird man sehen", sagt Malte Siegert vom Nabu, denn der Schiffsverkehr werde durch die Brücke stark beeinträchtigt.

© SZ vom 8.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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