Kommentar:Google dich gesund

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110 Prozent aller Menschen sorgen sich um ihre Gesundheit, glaubt Werner Bartens. (Foto: SZ)

Hypochonder finden Bestätigung im Internet, Kranke lassen sich durch dubiose Webseiten verunsichern. Doch richtig genutzt, könnten Informationen aus dem Netz die ärztliche Tätigkeit wunderbar unterstützen.

Von Werner Bartens

Von der leichten Unpässlichkeit zum Krebsverdacht ist es nicht weit. Man nehme den Hang zur Hypochondrie, lebhafte Fantasie und einen belastbaren Internetanschluss. Mit wenigen Klicks wird aus diffusem Bauchgrummeln Dickdarmkrebs. Und sprechen die linksseitigen Brustschmerzen nicht eindeutig für einen Infarkt - auch wenn sie sich später als Zerrung der Zwischenrippenmuskeln erweisen? Medizinische Angebote im Netz bieten überbordend Informationshäppchen, die allerdings schwer einzuordnen sind; erst recht, wenn man sich unwohl fühlt. Deshalb macht "Dr. Google" Pumperlgesunde manchmal im Handumdrehen zu Patienten in Panik, die sich dem Tode geweiht wähnen.

Dem Arzt-Patienten-Verhältnis tut es nicht unbedingt gut, wenn Menschen mit Beschwerden erst im Netz recherchieren, statt den Doktor aufzusuchen oder ihrem Körpergefühl zu vertrauen. Das Misstrauen wächst so auf beiden Seiten. Ärzte wissen, dass sich im Internet gerade zu Gesundheitsthemen viele unseriöse Anbieter und einseitige Informationen finden. Patienten werden verunsichert, schwärmen plötzlich für seltsame Tests, ungeprüfte Behandlungen und fühlen sich in ihrer Filterblase durch Gleichgesinnte in abseitigen Ansichten bestätigt.

Informationen aus dem Netz könnten die ärztliche Tätigkeit wunderbar ergänzen

Kein Wunder, dass 30 Prozent der Patienten ihren Ärzten verschweigen, wenn sie sich im Internet zu ihren Beschwerden kundig gemacht haben, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt. Sie ahnen, dass ihr Doktor die Online-Konkurrenz nicht schätzt oder gar als Beleidigung seiner Autorität versteht. Lass ihn reden, mögen sich manche Patienten denken und verschweigen ihre Netzsuche - um anschließend nachzulesen, was der Chat der Selbsthilfegruppe zu den Vorschlägen des Arztes meint.

Ärzte verpassen hier eine Chance, Vertrauen zurückzugewinnen, denn nur 20 Prozent von ihnen geben konkrete Tipps, wo sich Patienten im Internet gut informieren können, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Dabei gibt es durchaus Gesundheits-Seiten, die unabhängig und seriös sind. Man muss sie bekannt machen. Plattformen wie gesundheitsinformation.de, ebm-netzwerk.de, cochrane.de oder igel-monitor.de bieten umfassende Aufklärung ohne Kommerzinteressen.

Das Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten war schon mal besser. Um Misstrauen abzubauen und das medizinische Vorgehen transparenter zu machen, sollten Ärzte Kranken dabei helfen, ihren Wissensdurst zu stillen und sie unterstützen, zu aufgeklärten Patienten zu werden. Gesundheit im Netz muss keine Bedrohung sein, sondern nützliche Quellen können die ärztliche Tätigkeit wunderbar ergänzen. Wenn das gelingt, macht Dr. Google keineswegs krank, sondern hilft dabei, gesund zu werden.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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