Der dramatische Anstieg der Energiepreise seit einem Jahr hat zu einem ebenso dramatischen Anstieg der Lebensmittelpreise rund um den Globus geführt.
Dazu kam der Klimawandel mit seinen negativen Auswirkungen auf die Landwirtschaft, er hat die Nahrungskrise weiter verschlimmert. Dürren, Überschwemmungen und andere Wetterextreme, die vom Klimawandel verstärkt werden, haben in vielen Teilen der Welt die Ernten zerstört.
Auf dem Welternährungsgipfel im Juni diskutierten Vertreter aus mehr als 180 Ländern über Lebensmittelknappheit, Klimawandel und Energiefragen. Während der gesamten Konferenz sprach jedoch keiner der Politiker über die eigentlichen Ursachen der Krise und darüber, wie die Landwirtschaft den Klimawandel beeinflusst.
Eine unübersehbare Peinlichkeit, die man lieber ignoriert, bezeichnen wir auf Englisch als einen "Elefanten im Zimmer". Beim Welternährungsgipfel war der Elefant eine Kuh. Die Fleischindustrie hat mehr als ein Drittel der weltweiten Landwirtschaftsflächen und riesige Mengen fossiler Brennstoffe verschlungen, nur um einem kleinen Teil der Weltbevölkerung am luxuriösen Ende der Lebensmittelkette ihr Dasein zu versüßen.
Indessen stehen mehreren hundert Millionen Menschen Unterernährung, Hunger und Tod bevor. Mit einem weiter steigenden Ölpreis wird die Kluft zwischen überfütterten Reichen und unterernährten Armen nur noch größer werden. Das Ergebnis ist eine Welt aus Völlerei und aus Hungersnöten.
Verstärkt wird dieses Problem durch die Tatsache, dass die Fleischproduktion die zweitwichtigste Ursache für den Klimawandel ist - eine Tatsache, die nicht einmal Al Gore anspricht. Wenn reiche Menschen ihre Essgewohnheiten nicht grundlegend ändern, wird unsere Zivilisation wohl nicht überleben.
Ernähren wir lieber Menschen oder Autos?
Viele Experten erklären die steigenden Lebensmittelpreise damit, dass immer mehr Ackerflächen für die Biospriterzeugung genutzt werden. Im Kern läuft diese Argumentation auf die Frage hinaus: Ernähren wir lieber Menschen oder Autos? Biosprit trägt definitiv zur Verteuerung von Essen bei - und könnte in Zukunft noch stärker dazu beitragen.
Doch noch sind die Auswirkungen ziemlich gering. Weniger als 3,5 Prozent der weltweiten Lebensmittelproduktion wurden im vergangenen Jahr für die Herstellung von Biosprit verwendet.
Die Frage ist daher nicht, ob wir Menschen oder Autos ernähren sollten. Sie ist auch nicht, ob wir kurzfristig die Ölförderung ankurbeln sollten. Die wirkliche Frage ist, ob wir mit dem vorhandenen Getreide Menschen oder Tiere versorgen wollen - und darüber möchte allem Anschein nach kein führender Politiker sprechen.
Die Welternährungsorganisation (FAO) hat sich vor zwei Jahren in einer Studie mit dem Thema befasst. Das Ergebnis: Im Jahr 2002 wurden insgesamt 670 Millionen Tonnen Getreide, also etwa ein Drittel der weltweiten Getreideernte, an Vieh verfüttert.
Das Brisante daran ist, dass immer mehr Ackerland dem Anbau von Futtermitteln gewidmet wird. Folglich bleibt weniger Land für die Herstellung von Lebensmitteln übrig, weshalb die Essenspreise für die Ärmsten steigen. Diese Entwicklung wird sich noch verschlimmern, wenn die Prognose der FAO zutrifft, nach der sich die weltweite Fleischproduktion bis 2030 verdoppelt. Das hätte zur Folge, dass noch viel mehr Ackerflächen umgewandelt würden, um Futter statt Essen anzubauen.
Dass mehrere hundert Millionen Menschen hungern, ist aber noch nicht das einzige Resultat dieses Prozesses. Ein ebenso wichtiger Zusammenhang besteht zwischen Tierfutter, der zunehmenden Fleischproduktion und dem Klimawandel. Doch anscheinend fühlte sich auf dem Ernährungsgipfel niemand wohl dabei, diese Verbindung anzusprechen.
Die Wahrheit ist, dass die Fleischerzeugung durch Zuchttierhaltung die zweitwichtigste Ursache für den Klimawandel ist, nach dem Energieverbrauch von Gebäuden. Rajendra Kumar Pachauri, der Vorsitzende des Weltklimarats und einer der zwei Träger des letztjährigen Friedensnobelpreises, hat alle Konsumenten aufgerufen, einen ersten Schritt gegen den Klimawandel zu unternehmen und weniger Fleisch zu essen.
Die FAO-Studie kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass Zuchtvieh für den Ausstoß von 18 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich ist. Das ist mehr, als der gesamte Transportsektor verursacht. Vieh erzeugt demnach neun Prozent des vom Menschen beeinflussten Ausstoßes von Kohlendioxid.
Bei den besonders schädlichen Treibhausgasen ist der Anteil noch viel größer: 65 Prozent der Lachgas-Emissionen stammen aus der Viehzucht, vor allem aus Stallmist. Lachgas hat einen 300-mal stärkeren Treibhauseffekt als Kohlendioxid. Zudem erzeugt Vieh 37 Prozent des Ausstoßes von Methan, das 23-mal stärker zur Klimaerwärmung beiträgt als Kohlendioxid.
Grenzwerte für Methan- und Lachgasemissionen
Wir beklagen, dass große, spritfressende Autos Energie verschwenden. Doch ist die Vergeudung noch viel größer, wenn Menschen immer mehr Fleisch aus der Tierzucht essen. Mit dem Anbau von Getreide kann man auf einem Hektar fünfmal mehr Eiweiß produzieren als mit Viehzucht. Mit Hülsenfrüchten wäre die Eiweißmenge sogar zehnmal und mit Blattgemüse ganze 15-mal größer.
Die Schlussfolgerungen sind klar: Für die Methan- und Lachgasemissionen der Landwirtschaft sollten Grenzwerte festgesetzt werden, damit Viehzüchter Anreize haben, ihre Emissionen zu reduzieren. Außerdem sollten wir höhere Steuern auf Futtergetreide und Fleisch erheben und zugleich Früchte und Gemüse steuerlich entlasten, um so die Essgewohnheiten zu verändern. Schließlich sollten wir in der Landwirtschaft mit weniger fossilen Brennstoffen und chemischen Mitteln - also auch mit weniger Genfood - auskommen und stattdessen die ökologische Landwirtschaft fördern.
Die Entschlossenheit zum Energiesparen und zur Reduktion von Emissionen, die wir gerade im Fall von Gebäuden und des Verkehrs zeigen, sollte mindestens genauso groß sein, wenn es um die Fleischproduktion geht. Im Interesse der Mitmenschen und unseres Planeten müssen die wohlhabenden Konsumenten ihre Essgewohnheiten gründlich überdenken, denn die Zeit verrinnt.
Der Ökonom Jeremy Rifkin ist Gründer und Präsident der Foundation on Economic Trends in Washington.
Übersetzung: Janek Schmidt.