Klimawandel:Die Fieberkurve steigt unablässig

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Das Treibhaus Erde heizt sich weiter auf, doch endlich wächst das Bewusstsein für die Gefahr.

Wolfgang Roth

Der Befund ist deprimierend, wenn auch alles andere als überraschend: 15 Jahre nach dem großen Umweltgipfel in Rio und fast zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls werden weltweit immer mehr Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen.

Die Folgen der Erderwärmung werden viele Jahrzehnte lang spürbar sein, selbst dann, wenn die Staatengemeinschaft alsbald ihren Kurs radikal ändern würde.

Die Bilanz des UN-Sekretariats in Bonn folgt dem bisherigen Trend und wirft auf die am nächsten Montag beginnende Konferenz der Vertragsstaaten reichlich Schatten.

Wenn es nicht den wirtschaftlichen Zusammenbruch in den Ländern des ehemaligen Ostblocks gegeben hätte, sähe es noch erheblich düsterer aus; dort werden nun erheblich weniger Treibhausgase ausgestoßen, weil viele Räder stillstehen.

Wohlstand auf Kosten der anderen

Die meisten Industriestaaten des Westens aber bescheren sich ihren Wohlstand weiterhin damit, dass sie einen guten Teil der Kosten auch denen aufbürden, die sich nicht wehren können und am stärksten unter dem Klimawandel leiden werden.

Innerhalb der europäischen Ziele können nur Großbritannien, Schweden, Frankreich und Deutschland die Reduktionsverpflichtungen des Kyoto-Protokolls erfüllen.

Und die nachziehenden Schwellenländer, allen voran China und Indien, heizen die Erde unablässig weiter auf - weitgehend noch den Wirtschaftsmodellen folgend, die sich lange als der einzig gangbare Weg darstellten: Kommt mehr Wohlstand ins Land, kommt mehr Umweltschutz von ganz alleine.

Der seit dem Beginn der Industrialisierung rasant zunehmende Treibhaus-Effekt ist allerdings der Beweis, dass dieser Automatismus nicht existiert.

Dass ein Umsteuern so schwerfällt, liegt daran, dass klassische ökonomische Muster radikal in Frage gestellt sind. Dabei geht es längst nicht mehr darum, den Klimawandel zu verhindern, sondern ihn so zu begrenzen, dass die schwerwiegendsten Folgen vermieden werden. Das Ziel der Europäer, die globale Durchschnittstemperatur unter zwei Grad plus zu halten, ist ehrgeizig genug.

Es gibt Hoffnung

Hoffnung gibt es dennoch, und sie gründet auf zwei Säulen. Zum einen wird nur noch von Ignoranten bezweifelt, dass der Mensch das Klima beeinflusst. Zum anderen sind weltweit Anstrengungen zu erkennen, dieser Erkenntnis Taten folgen zu lassen. Die EU-Kommission scheint gewillt zu sein, die Klimasünder in ihren Reihen notfalls mit Sanktionen auf Kurs zu bringen.

In den USA, nach wie vor die Heizzentrale Nummer eins in der Welt, verweigern immer mehr Bundesstaaten dem Präsidenten die Gefolgschaft und klinken sich faktisch, wenn auch nicht protokollarisch, in den Kyoto-Prozess ein.

Und die Machthaber in China mussten erkennen, dass die Steigerung des Bruttosozialprodukts mit allen (energetischen) Mitteln nicht nur den Klimawandel vorantreibt, sondern jetzt schon die Gesundheit der Bevölkerung massiv schädigt.

In Deutschland sieht es so aus, als habe zumindest Bundesumweltminister Sigmar Gabriel erkannt, wie sinnlos und abwegig der ewige Konflikt zwischen Ökonomie und Umweltschutz geworden ist.

Es gilt in der Tat, nun entschiedener die Effizienz- und Einsparpotentiale in der Energienutzung auszuschöpfen, anders haben Sonne, Wind und andere erneuerbare Ressourcen so schnell keine Chance, mehr als ein Nischendasein zu führen.

Und es gilt, diesen "Leitmarkt Energietechnik" mit aller Kraft sowohl für die heimischen Klimaschutzziele als auch für den Export zu nutzen.

Es geht gar nicht anders. Weder die USA noch die aufstrebenden Länder der Welt lassen sich von schönen Worten überzeugen. Ein Modell nachhaltiger Entwicklung überzeugt nur, wenn es den Nachweis erbringt, mittel- und langfristig den Wohlstand zu sichern - kurzfristige Konkurrenznachteile nimmt ein guter Ökonom dafür in Kauf.

© SZ vom 31.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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