Klimaveränderung:Schlüssel-Länder: Russland

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Kaltes Land, heiß umworben

Thomas Avenarius

(SZ vom 27.06.2001) - Das Durcheinander war groß, die Erklärungen waren nicht wirklich überzeugend. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Russland überhaupt irgendwann einmal das Kyoto-Protokoll ratifizieren wird. Die Klima-Konvention widerspricht den wirtschaftlichen Interessen Russlands."

Zwei Sätze nur, eine "persönliche Meinung", mehr nicht. Mit dem Schönheitsfehler, dass sie der Verhandlungsführer der russischen Klima-Delegation, Alexander Bedritzkij, öffentlich geäußert hatte.

Ohne die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch Moskau aber kann das weltweite Vertragswerk nicht in Kraft treten.

Nur eine persönliche Meinung?

Ob der russische Verhandlungsführer in dem Interview mit der russischen Internet-Zeitung Gasjeta.ru wirklich nur seine persönliche Meinung geäußert hat und seine Sätze gar "aus dem Zusammenhang gerissen wurden", wie sein Stellvertreter sagte: Der Vorfall zeigt, wie wichtig die Position Russlands für das Kyoto-Protokoll geworden ist.

Seit US- Präsident George W. Bush erklärt hat, dass die USA sich heraushalten würden, ist Moskau ein besonders umworbener Staat im Klimaschutz-Prozess.

"Moskau bekennt sich zu Kyoto"

Der deutsche Staatsminister Ludger Volmer, der jüngst zu Besuch in der russischen Hauptstadt war, hat erst einmal Entwarnung gegeben: "Für uns ist das wichtigste Ergebnis dieser Reise, dass diese Meldungen dementiert wurden. Ich habe den Eindruck, dass Moskau sich zu Kyoto bekennt."

Das wäre nur normal: Moskau dürfte enorme Vorteile davon haben. Zwar ist Russland mit einem Anteil von elf Prozent der drittgrößte Produzent von Kohlendioxid-Emissionen weltweit nach den USA und China. Doch die Emissionsquoten, auf deren Grundlage die Reduzierungsziele stehen, stammen von 1990.

Nach dem Zerfall der UdSSR und dem Totalzusammenbruch der postsowjetischen Wirtschaft produziert die russische Föderation heute weit weniger Schadstoffe, als im Kyoto-Protokoll zugestanden werden.

Dieses "Emissionsminus" könnte Moskau im Rahmen des weltweiten Handels mit Verschmutzungslizenzen an die Staaten verkaufen, die zu viel Abgase produzieren und ihre Emissionsquote auf dem Papier senken müssen.

Russland muss seine veraltete Energiewirtschaft modernisieren

Glaubt man Gennadij Utkin von der russischen Kyoto- Verhandlungsdelegation, dann steht aber nicht die Aussicht auf Devisen im Vordergrund: "Russland muss seine veraltete Energiewirtschaft modernisieren. Viel interessanter als der Quoten-Verkauf ist für uns, dass westliche Unternehmen im Tausch unser Energiesystem auf den neuesten Stand der Technik bringen."

Schließlich liegt die Jahresdurchschnittstemperatur auf 60 Prozent der Fläche Russlands bei nur fünf Grad, die Energiesysteme aber sind mehr als ineffizient.

"Russland wendet pro Einwohner im Jahr alleine für Heizung fünf- bis zehnmal so viel Energie wie andere Staaten auf", sagt Utkin. "Unser Hauptproblem ist Energieeffizienz."

Niederländisches Verhandlungspapier nicht akzeptabel

Aus diesen Gründen ist auch Alexej Kokorin vom Moskauer Büro des World Wide for Nature (WWF) zuversichtlich, dass Russland "eine Ratifizierung bis zum Ende des Jahres 2001 vorbereiten wird". Das Land könne bei seinen Modernisierungsplänen im Energiebereich nicht auf die Möglichkeiten der Klimakonvention verzichten.

Doch der Umweltschützer ist mit Utkin einer Meinung: "Das von den Niederländern vorbereitete Verhandlungspapier für die Bonner Vertragsstaaten- Konferenz im Juli ist für Moskau nicht akzeptabel, es benachteiligt Russland massiv. Da muss verhandelt werden."

Auch in einem anderen Punkt sind sich die beiden einig: "Es muss alles unternommen werden, die USA doch zur Ratifizierung zu bewe-gen." Das hat aus russischer Sicht Sinn: Die USA wären die wichtigsten Kunden für russische Schadstoffquoten - ob nun cash bezahlt oder mittels Modernisierung russischer Anlagen.

In der Gasjeta.ru wurde indes angedeutet, die Russen hätten das Interesse an der Klima-Konvention verloren. Sie setzten neuerdings wieder auf die "saubere Energieform" Atomkraft.

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