Klima und Wirtschaft:Der neue Öko-Kapitalismus

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Wenn auch die wirtschaftlichen Folgen der Erderwärmung schwer abzuschätzen sind - Nichthandeln ist teurer als Handeln: Das ist das Ergebnis mehrerer Studien zu den Kosten des Klimaschutzes.

Jeanne Rubner

Die Industrie warnt zwar noch vor zu ehrgeizigen Zielen, zugleich aber wittert sie in der grünen Konjunktur neue Geschäfte.

Das E.ON Kraftwerk Scholven in Gelsenkirchen - eines der grössten Steinkohle-Kraftwerke Europas. (Foto: Foto: AP)

Was ist ein Menschenleben wert, das ein tragisches Ende durch den Hungertod oder eine Überschwemmung findet? Darauf gibt es keine Antwort, wenngleich Ökonomen irgendwie den Preis eines Menschenlebens abschätzen müssen, wenn sie die Kosten des Klimawandels und des Kampfes gegen die ungebremste Erderwärmung beziffern.

Sie behelfen sich mit Abschätzungen, die zwangsläufig sehr grob ausfallen und mit großen Unsicherheiten behaftet sind. Was wiederum manche Kritiker der derzeitigen Klimapolitik dazu verleitet, in eine "Wird schon alles nicht so schlimm"-Haltung zu verfallen.

Andererseits: Alle Berechnungen der Kosten des Klimawandels bergen eine gewissermaßen frohe Botschaft, ob sie vom Klimarat IPCC der Vereinten Nationen stammen, vom britischen Ökonomen Nicholas Stern oder von der deutschen Wirtschaftsprofessorin Claudia Kemfert. Alle sind sich einig, dass es sehr viel kosten wird, das Fieber des Globus zu senken. Aber noch viel teurer dürfte es die Menschheit zu stehen kommen, gar nichts zu tun.

Auf fünf bis zwanzig Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes, so schätzt der Brite Stern, könnten sich die Kosten der Erderwärmung belaufen, falls wir weiter wie bisher das Treibhausgas Kohlendioxid ungehemmt in die Atmosphäre blasen.

Um die Temperaturerhöhung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen - das ist die rote Linie, die Klimaforschern zufolge nicht überschritten werden sollte -, bedürfe es dagegen nur ein Prozent des Bruttosozialproduktes.

Sterns Berechnungen sind wegen zu optimistischer Annahmen kritisiert worden, die IPCC-Forscher gehen von bis zu dreimal höheren Kosten für das Zwei-Prozent-Ziel aus. Doch letztlich finden auch sie, dass Handeln billiger ist als Nichthandeln.

Zu diesem Schluss kommt auch Claudia Kemfert, die für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW eine Abschätzung vorgelegt hat: Bis zu 800 Milliarden Euro muss Deutschland demnach bis 2050 für die Folgen eines ungebremsten Klimawandels einplanen.

Um das Zwei-Prozent-Ziel einzuhalten, wären nur 500 Milliarden Euro fällig. Für die Bundesrepublik fallen die Kosten eher moderat aus, weil Mitteleuropa vom Klimawandel weitaus weniger betroffen sein wird als der Süden des Kontinents und Afrika.

Verschiedene Prognosen zeigen in dieselbe Richtung

Zuletzt hat der Bundesverband der Deutschen Industrie eine Kostenrechnung für das Klimaprogramm der Bundesregierung vorgelegt. Demnach ist es ohne große Anstrengungen möglich, bis zum Jahr 2020 den Ausstoß von Kohlendioxid um 20 Prozent zu senken, selbst ein Minus von 30 Prozent ist bezahlbar. Das 40-Prozent-Ziel der Regierung hält der BDI allerdings für unrealistisch.

Kurzum: Wenn auch alle Abschätzungen mit großen Unsicherheiten behaftet und Vergleiche wegen unterschiedlicher Annahmen schwierig sind - die Prognosen zeigen in dieselbe Richtung. Die Ökonomen rufen damit die Politiker gleichsam zum Handeln auf. Und zumindest in Europa ist der Wille vorhanden - die EU und insbesondere Deutschland haben sich hohe Ziele gesetzt, um den Ausstoß von Treibhausgasen schnell zu begrenzen.

Die politischen Vorgaben sehen manche Manager aber noch mit Argwohn. Die Autokonzerne suchen Schutz vor allzu strengen Abgasregeln bei EU-Industriekommissar Günther Verheugen, die Stromgiganten klagen über hohe Investitionen in teure erneuerbare Energien.

BASF-Chef Jürgen Hambrecht nannte Sterns Prognosen "Angstmache" und warnte vor dem Diktat der Ökologie vor der Ökonomie. Unternehmen, die für die Produktion viel Energie brauchen, fürchten, dass mit begrenzten CO2-Emissionsrechten ihre Kosten in die Höhe schnellen.

Der Klimawandel trifft zusammen mit einer Energiekrise

Erst nachdem die Bundesregierung im August das Klimaschutzprogramm entschärft hatte, beruhigten sich die Gemüter wieder. Denn zur Kasse gebeten werden nun vor allem Privathaushalte, die für besser isolierte Gebäude und sparsamere Heizkessel schätzungsweise unter dem Strich elf Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 ausgeben müssen.

Die Bosse mahnen - und wissen doch: Die neue Welle des "Öko-Kapitalismus" wird schwer aufzuhalten sein. Anders nämlich als in den siebziger Jahren, in denen trotz Ölkrisen Energie verhältnismäßig preiswert blieb, zeichnet sich das Ende billiger Rohstoffe ab. Der Klimawandel trifft zusammen mit einer Energiekrise.

Weil sich aber die Lösungen für beide ähneln - wer Energie spart, schont das Klima -, kann der Kampf gegen die Erderwärmung ökonomisch so unsinnig nicht sein.

Die grüne Welle schafft zudem neue Geschäftsbereiche und Kunden, Investoren jedenfalls interessieren sich mächtig für Firmen, die Biosprit herstellen. US-Konzerne wie Wal-Mart wollen im großen Stil Strom sparen.

Und deutsche Unternehmer haben sich zur Initiative "Zwei Grad" zusammengefunden. Klimaschutz spare seinem Unternehmen Geld, sagt Michael Otto, Mitbegründer des Clubs und Chef der Otto-Gruppe, und bei den Kunden komme das Ökobewusstsein gut an.

© SZ vom 27.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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