Kernkraft:Krebsrisiko-Studie entfacht Atomstreit neu

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Die Studie über signifikant höhere Zahlen von Krebserkrankungen bei Kindern, die in der Nähe von Atomkraftwerken leben, hat die Diskussion um den Ausstieg aus der Atomkraft neu ins Rollen gebracht. Umweltminister Gabriel will die Untersuchung überprüfen lassen.

Nico Fried

Eine Studie über signifikant höhere Zahlen von Krebserkrankungen bei Kindern, die in der Nähe von Atomkraftwerken leben, hat die Debatte über die Kernkraft neu angefacht. Die Grünen und die Linkspartei forderten am Wochenende einen noch schnelleren Ausstieg aus der Atomkraft als bisher geplant.

Eine Studie bestätigt: Kinder, die in der Nähe von Atomkraftwerken leben, erkranken häufiger an Krebs. (Foto: Foto: dpa)

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) kündigte allerdings an, die Ergebnisse der Untersuchung zunächst prüfen zu lassen und erst danach über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Union und FDP warnten vor voreiligen Schlüssen auf Gefährdungen durch die Kernkraftwerke.

Gabriel beauftragte die Strahlenschutzkommission, die Studie zu bewerten. Der Anstieg bei den Krebserkrankungen könne "nicht durch die Strahlenbelastung erklärt werden".

"Ergebnisse nicht strahlenbiologisch erklärbar"

Diese müsste um mindestens das Tausendfache höher liegen, um die Ursache für das erhöhte Krebsrisiko zu sein. "Die statistische Untersuchung und bekannte Ursachenzusammenhänge zwischen Krebsrisiko und Strahlung stehen damit nicht im Einklang miteinander", sagte Gabriel. Auch die Autoren der Studie hatten erklärt, das Ergebnis sei "nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht strahlenbiologisch erklärbar".

Die Studie, über welche die Süddeutsche Zeitung am Samstag berichtet hatte, besagt im Kern, dass die Häufigkeit von Krebserkrankungen bei Kindern unter fünf Jahren rein statistisch zunimmt, je näher sie an einem Reaktor wohnen.

Im Umkreis von fünf Kilometern um die Kernkraftwerke wurde für den Zeitraum von 1980 bis 2003 ermittelt, dass 77 Kinder an Krebs erkrankten, davon 37 an Leukämie. Im statistischen Durchschnitt wären jedoch nur 48 Krebserkrankungen beziehungsweise 17 Leukämiefälle zu erwarten gewesen.

Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer rief dazu auf, die Studie ernstzu- nehmen. "Wir Grüne fordern die beschleunigte Abschaltung gerade der ältesten Atomkraftwerke." Wer noch immer "für einen längeren Betrieb von Atomkraftwerken oder gar deren Neubau eintritt, handelt völlig verantwortungslos", sagte Bütikofer.

Der Energieexperte der Grünen-Fraktion, Hans-Josef Fell, kritisierte: "Die etablierte, meist atomfreundliche Wissenschaft hat die Gefahren der Atomenergie bisher maßlos unterschätzt." Er verlangte eine zweite Studie zur Gesundheitsgefährdung der gesamten Bevölkerung.

Auch der Fraktionsvize der Linkspartei, Werner Dreibus, plädierte dafür, zu prüfen, ob der Atomausstieg schneller möglich sei. Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW verwies auf frühere ähnliche Studienergebnisse und forderte das Umweltministerium auf, die Grenzwerte für radioaktive Emissionen aus Atomkraftwerken zu überprüfen und deutlich zu senken.

Unions-Fraktionsvize Katherina Reiche (CDU) sagte, man werde sich die Studie genau ansehen müssen. Sie sei jedoch verwundert über deren Botschaft. So solle die Erkrankungsrate in der Nähe der Atomkraftwerke hoch sein, doch werde darauf hingewiesen, dass dies nicht auf Strahlungswirkungen zurückzuführen sei.

"So sehr ich mir Aufklärung über diese Zusammenhänge von der Wissenschaft erhoffe, so sehr kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Studie die Antipathien gegen die Kernkraft schüren soll", sagte Reiche. Für die FDP warnte deren fachpolitische Sprecherin Angelika Brunkhorst, die Studie dürfe nicht genutzt werden, um die Debatte um Atomkraft in "schäbiger Weise" anzuheizen.

© SZ vom 10.12.2007/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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