Kampfmaschinen:Roboter zum Appell

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Intelligente Maschinen sollen Soldaten bei gefährlichen Missionen ersetzen - die Bundeswehr hat nun erste Geräte auf einem Truppenübungsplatz antreten lassen.

Wolfgang Blum

Kurt kurvt gemächlich durch die schmalen Gassen. Ab und an wirft er einen Blick in eines der Häuser. Dann bleibt er kurz stehen, als dächte er nach, wie es jetzt weitergehen könnte. Das rot-blaue Gefährt, an dessen Antenne ein Plüschtier gesteckt ist, gleicht zwar einem ferngesteuerten Spielzeugauto, doch darin steckt modernste Technik. Kurt war eines der Geräte, die beim ersten europäischen Wettbewerb für Landroboter, den die Bundeswehr soeben auf dem Truppenübungsplatz im unterfränkischen Hammelburg veranstaltete, ihr Können zeigten. Die Geräte mussten dabei einen Parcours durchfahren, der erst durch unwegsames Gelände führte und dann durch das Dorf Bonnland, in dem sonst die Soldaten aus Fleisch und Blut Häuserkampf üben. Unterwegs sollten die Roboter mehrere rote Benzinkanister und Kisten finden, die versteckt zwischen und in den Häusern lagen.

"Wir wollten uns einen Überblick über die Leistungen der Universitäten und Firmen verschaffen", sagt Wolfgang Brüschke, General für Heeresentwicklung, über das Ziel der Leistungsschau in Hammelburg. In welchen Bereichen das Heer künftig Kameraden aus Blech und Chips einsetzen wolle, sei zwar noch nicht genau abzusehen. Doch denkbar sei die Erkundung feindlichen Geländes und das Aufspüren und Retten verwundeter Soldaten.

Und so vage die Vorstellungen der Militärs noch sind, so vielseitig war die Palette der Roboter, die in Hammelburg antraten. Die Apparate reichten von kaum größer als eine Ratte bis zu den Ausmaßen eines Kleinwagens. Die einen rollten auf Ketten, andere auf Rädern. Die Fahrzeuge, die von Universitäten konstruiert wurden, sahen aus wie eine Mischung aus Bastelarbeit und Spielzeug. Die Vehikel der Industrie glichen mit olivgrünen Chassis eher militärischem Gerät.

Fernsteuerung ohne Sichtkontakt

20 Teams aus acht europäischen Ländern schickten ihre Roboter auf realitätsnahe Missionen. Ganz auf sich allein gestellt waren die Roboter auf ihrem Weg durch das Geisterdorf Bonnland jedoch nicht. Ein Mensch durfte sie aus der Ferne steuern, jedoch ohne direkten Sichtkontakt zu haben. Er saß am Bildschirm und hatte nur das vor Augen, was die Sensoren in dem Apparat sendeten. "So ein Live-Experiment ist schon etwas Besonderes", schwärmt Andreas Nüchter von der Universität Osnabrück, einer der Erbauer von Kurt. Bei einem Versuch im Labor könne man so lange probieren, bis es schließlich klappt. Hier müsse alles auf Anhieb funktionieren. Was in Hammelburg natürlich nicht immer der Fall war: Manche Roboter verloren den Funkkontakt, andere wurden durch Materialfehler gebremst oder blieben einfach im Gelände stecken.

Klaus Schilling von der Universität Würzburg trat mit "Outdoor Merlin" an. Das Gerät mit einem 2-PS-Elektromotor konstruierten er und seine Mitarbeiter gemeinsam mit dem Steinbeis Transferzentrum und der EADS in nur eineinhalb Jahren. Die Vorarbeiten dafür reichen jedoch weit zurück. "Mitte der neunziger Jahre haben wir ein Fahrzeug für einen Ausflug auf den Mars entwickelt", sagt Schilling. Doch dann sagten die Europäer ihre Mars-Mission ab, und Schilling verlegte sich darauf, Transportroboter für die Industrie und elektrische Rollstühle zu konstruieren. Bei letzteren sei es auf Zentimeter genaues Rangieren angekommen und das komme nun Merlin zugute.

So gelang es auf dem Parcours in Hammelburg, das 46 Zentimeter breite Gerät durch eine nur wenige Zentimeter breitere Gasse zu navigieren. Entscheidend dabei seien die Infrarotsensoren an Bord gewesen. Neben ihnen setzte Merlin über Ultraschallgeräte, Kameras und einen Kreisel ein, um Position und Lage zu bestimmen. "Die Kunst besteht darin, die Daten zusammenzubringen und auszuwerten", sagt der Professor für Informatik. Wie lässt sich ein Hindernis von einem Schatten unterscheiden? Und wie erkennt die Software ein Loch im Fahrweg? Merlin setzt dafür hauptsächlich auf Kameras.

Laserscanner mit Nachtsicht

Andere Roboter wie Kurt oder das Gefährt von der Größe eines Golf-Karts, das die Universität Hannover vorstellte, orientierten sich dagegen mit Laserscannern. Dabei wird ein Laserstrahl in schnellem Wechsel in möglichst viele Richtungen geschickt, aus den Reflexionen ergibt sich dann ein Bild davon, wo Hindernisse stehen. "Anders als bei Kameras funktioniert das auch im Dunkeln und bei Nebel", sagt Bernardo Wagner von der Universität Hannover. Neben den Laserscannern hatte das 350 Kilogramm-Ungetüm Umdrehungssensoren in den Rädern, Kamera, Kreisel und ein Gerät zur Satellitennavigation an Bord. Doch trotz der vielen Hightech blieb das Vehikel einmal im Kies hängen.

Die kommerziellen Roboter zeigten in Hammelburg weniger Ausfälle. Die meisten von ihnen waren keine Forschungsfahrzeuge mehr, sondern bereits ausgereifte Produkte. Etwa Asendro, den die Berliner Firma Robowatch zusammen mit Diehl entwickelt hat. Das 45 Kilogramm schwere Gefährt gleicht einem kleinen Panzer. Mühelos meisterte es die Treppe in eines der Häuser, öffnete mit seinem Greifarm ein Schränkchen und suchte darin einen der roten Kanister.

Vieles, was in Hammelburg gezeigt wurde, ist für die Bundeswehr auf jeden Fall hoch interessant. Zwar setzt das Heer seit Jahren unbemannte Drohnen etwa für Aufklärungsflüge ein, doch dass Maschinen einmal wie in Hammelburg autonom ein Gelände erkunden, ist die Zukunft, von der die Militärs bislang noch träumen.

© SZ vom 20.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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