Kampf gegen Multiple Sklerose:Hoffnungsträger mit Risiko

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Britische Forscher haben ein vielversprechendes Medikament gegen das Nervenleiden Multiple Sklerose entdeckt. Doch ihre Ergebnisse müssen noch bestätigt werden.

Werner Bartens

Es ist ein Hoffnungsschimmer. Von einem Wundermittel zu sprechen, wäre aber falsch. Allerdings sind einige Ärzte sehr optimistisch, wenn sie über die neue Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) reden.

Multiple Sklerose trifft vor allem junge Erwachsene (Foto: Foto: dpa)

Anlass für ihre Zuversicht ist eine Studie, die gerade im angesehenen New England Journal of Medicine erschienen ist. Forscher aus Cambridge beschreiben darin, dass der Antikörper Alemtuzumab gegen das Nervenleiden helfen könnte.

"Das ist das bisher vielversprechendste experimentelle Medikament für MS", sagt Alastair Compston, der Leiter der Studie. "Wir hoffen, dass sich die Ergebnisse in weiteren Tests bestätigen."

Die britischen Neurologen hatten 334 Patienten mit Multipler Sklerose im Frühstadium drei Jahre lang behandelt. Ein Drittel bekam Interferone, zwei Drittel bekamen die Antikörper, die zur Therapie von Leukämien bereits zugelassen sind. Im Vergleich zur etablierten Interferon-Therapie konnten sich die Patienten, die mit Antikörpern behandelt wurden, besser bewegen. Sie hatten seltener Schübe; drei Viertel der Patienten blieben ohne Rückfall.

Im Kernspin zeigte sich zudem, dass Patienten, die Antikörper bekamen, weniger Läsionen im Gehirn aufwiesen. "Die drastischen Behandlungseffekte beeindrucken uns schon", sagt Reinhard Hohlfeld von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der die Entwicklung der MS-Therapie auf einer Tagung in Athen diskutiert. "Trotzdem ist das noch keine Heilsbotschaft."

Multiple Sklerose trifft bevorzugt junge Erwachsene. Der Verlauf ist nicht vorhersehbar, manche Patienten sind in kurzer Zeit schwerbehindert. Die Ursache des Leidens ist eines der größten Rätsel der Medizin, genetische wie Umweltfaktoren sind beteiligt.

Typischerweise finden sich bei MS-Patienten Entzündungsherde in Gehirn und Rückenmark. Da jede Nervenbahn zerstört werden kann, treten fast alle neurologischen Beschwerden auf. In Deutschland sind ungefähr 100.000 Menschen von MS betroffen.

Noch Jahre von der Zulassung entfernt

Obwohl die britische Studie Hoffnungen weckt, wird es noch Jahre dauern, bis das Mittel eventuell zugelassen wird. Bisher wurde das Medikament erst in einer Phase-II-Studie getestet.

Hier geht es darum, die Dosis zu ermitteln und erste positive Effekte zu beobachten. Der eigentliche Wirkungsnachweis folgt erst in der dritten Phase, die Voraussetzung für die Zulassung ist. Diese Hürden schaffen mehr als 90 Prozent der Medikamente, die den Testlauf beginnen, nicht.

"Die Schutzwirkung hat einen hohen Preis", sagt Stephen Hauser, Neurologe an der University of California in San Francisco. Immerhin kam es bei drei Patienten zu lebensbedrohlichen Gerinnungsstörungen durch die Antikörper, einer starb. Die Studie musste abgebrochen werden. Bei einem Viertel der Patienten war die Schilddrüse beeinträchtigt, und Infektionen traten häufiger auf.

"Wir müssen aufpassen, dass wir nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben", sagt Hohlfeld. "Risiken steigen in dem Maß, in dem die Wirkung zunimmt." Bei einem ähnlichen, bereits zugelassenen Antikörper namens Natalizumab traten ähnliche Probleme auf. "Es kommt zu einer unklaren Zahl von Nebenwirkungen", sagt Karl-Heinz Henn, Neurologe am Klinikum Offenbach.

Trotzdem entwickelt sich die MS-Behandlung, bei der fast immer das Immunsystem gedämpft wird, sehr schnell. "Allein 2008 sind mehrere große Therapiestudien in den besten Fachjournalen erschienen", so Hohlfeld. "In den letzten 15 Jahren hat sich die Therapie dramatisch verbessert."

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