Kaffeedurst?:Verflüssigtes Dogma

Lesezeit: 2 min

Kaffee entzieht dem Körper doch kein Wasser - das sagt jetzt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung.

Von Christian Guht

In den Kaffeehäusern mediterraner Prägung bilden sie ein untrennbares Duo: der doppelte Espresso und das Glas stilles Wasser. Nicht nur Savoir-vivre soll damit geboten werden, sondern auch gesunder Genuss. Schließlich entzieht Koffein dem Körper angeblich Flüssigkeit, so zumindest die landläufige Meinung und ärztliche Hinweisstereotypie.

Doch die stimmt nicht, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) erklärt, nachdem sie die medizinischen Studien zum Thema neu ausgewertet hat. "Einen entwässernden Effekt von koffeinhaltigen Getränken haben die Untersuchungen nicht bestätigt", sagt deren Sprecherin Antje Gahl.

So haben US-Forscher von der Universität Omaha 24 Stunden lang den Urin von Testpersonen gesammelt. Die Hälfte der Probanden durfte ihren Flüssigkeitsbedarf nur mit koffeinfreien Getränken decken, den übrigen waren auch Kaffee, Tee und Cola erlaubt. Die ausgeschiedene Urinmenge unterschied sich jedoch nicht, wie die Forscher im Journal of the American College of Nutrition berichteten.

Zwei bis vier Tassen Kaffee unbedenklich

Zu einem ähnlichen Schluss kommt der britische Physiologe Ron Maughan in einer Übersichtsarbeit für das Journal of Human Nutrition and Dietetics. Demnach ist die übliche Tagesmenge von zwei bis vier Tassen Kaffee für den Wasserhaushalt unbedenklich. Wenn man die Menge schnell hinunterspült, könne es zwar zu einem kurzfristigen Anstieg der Harnproduktion kommen, insbesondere bei koffeinempfindlichen oder nicht daran gewöhnten Personen. Über den Tag entsteht aber kein Wasserverlust.

Das falsche Bild vom Kaffee als Wasserräuber sei aus Fehlinterpretationen älterer Studien entstanden, sagt DGE-Sprecherin Gahl. So durften die Versuchsteilnehmer bei einigen Untersuchungen vor dem Test keinen Kaffee trinken, waren also entwöhnt und deshalb besonders sensibel.

Zudem kommt es bei hohen Koffeindosen von täglich sechs Tassen Kaffee tatsächlich zu einer akuten Gewichtsabnahme, die auf reduziertes Körperwasser schließen lässt. Doch dieses kurzfristige Ausschwemmen sei kein Problem, wie die DGE nun neu deutet. Denn mit dem Wasser treibt das Koffein auch Salze aus dem Körper. Die Natriumionen aus dem Kochsalz nehmen dabei solches Wasser mit, an das sie auch außerhalb der Körperzellen gebunden sind. So werde die Flüssigkeitsversorgung der Zellen durch das vorübergehende Ausfluten gar nicht berührt.

Koffein treibt akut den Harn aus dem Körper, weil es das antidiuretische Hormon der Hirnanhangdrüse hemmt. So wird den Nieren signalisiert, vermehrt Flüssigkeit auszuscheiden. Zusätzlich sorgt Koffein dafür, dass die Nieren stärker durchblutet werden. "Die Reaktionen flauen aber schnell ab", sagt Andreas Pfeiffer, Hormonfachmann an der Berliner Charité. Im Laufe des Tages werden Hirnanhangdrüse und Nieren unempfänglich für die Botschaft des Koffeins.

Es gebe keine Grundlage dafür, dass normaler Kaffeekonsum dem Körper Wasser entzöge, betont auch Friedrich Luft von der Charité. Woher die verbreitete Weisung rührt, Kaffee zur Trinkmenge nicht dazuzuzählen oder gar aufzufüllen, weiß der Nierenexperte nicht. "Medizinische Legenden werden leider häufig zur Grundlage gängiger Ratschläge", so Luft. Auch Antje Gahl von der DGE räumt ein: "Man überhöht Erkenntnisse schnell zu Regeln, wenn man sie vermitteln möchte."

Das gilt wohl auch für die Trinkempfehlung von täglich zwei bis drei Litern Wasser in den Broschüren ihrer Gesellschaft. Dies entspreche zwar dem Wasserbedarf des Körpers - aber den deckten die meisten Menschen automatisch, sagt Friedrich Luft. Akribisch befolgen sollten nur Kranke und Alte solche Ratschläge. Bei den anderen sei das Durstgefühl der verlässlichste Hinweis dafür, ob sich genug Wasser im Körper befindet. Wenn also nach dem doppelten Espresso die Kehle spannt, ist das Wasser gewiss richtig.

© SZ vom 4.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: