Interview mit Ufo-Experten:"Richtig rund geht es seit der Hessenwahl"

Lesezeit: 4 min

Der Mannheimer Hobbyastronom Werner Walter betreibt die bundesweit einzige Ufo-Meldestelle - momentan hat er wegen mysteriöser Sichtungen am Sonntag der Hessenwahl besonders viel Arbeit.

Interview: Claudia Fromme

Wer ungewöhnliche Dinge am Himmel beobachtet, ruft am besten Werner Walter, 50, in Mannheim an. Dort hat der Hobbyastronom, der das Centrale Erforschungsnetz außergewöhnlicher Himmelsphänomene (Cenap) leitet, vor mehr als zehn Jahren die bundesweit erste Ufo-Meldestelle eingerichtet.

Ein Ufo über New Jersey 1952. Das Bild stammt von einem Angestellten der CIA. (Foto: Foto: oh)

SZ: Ein US-Satellit fliegt ziellos durchs All, am Dienstag ist ein Asteroid knapp an der Erde vorbeigerast, an diesem Mittwoch fliegt einer am Mars vorbei. Ganz schön was los am Himmel, Herr Walter.

Werner Walter: Kann man wohl sagen. Aber gefährlich ist davon nichts. Nach Berechnungen der Nasa hat der Asteroid die Erde um eine halbe Million Kilometer verfehlt. Beim Mars wird's wohl ähnlich sein. Beim Durchgang durch die Erdatmosphäre ist der Satellit sicher ein spektakuläres Schauspiel. Bei der Raumstation Mir, die 2001 über den Fidschi-Inseln runterging, war es ähnlich. Da gibt es tolle Fotos!

SZ: Und sicher viele Anrufe, oder?

Walter: Den Asteroiden vom Dienstag konnte man nur mit astronomischem Gerät sehen, das war nur ein Lichtpünktchen. Bei Dingen, die angekündigt sind, rufen die Leute nicht an. Anrufe gibt es eher bei unerwarteten Phänomenen.

SZ: Bei welchen zum Beispiel?

Walter: Vor zwei Wochen gab es einen Feuerballboliden, eine Großsternschnuppe, die sich über Süddeutschland nach Tirol hin bewegt hat. Da rufen mich heute noch Leute an, auch aus Österreich. Und richtig rund geht es seit der Hessenwahl.

SZ: Warum das?

Walter: Sehr viele haben am Sonntag gegen 22.45 Uhr Lichter gesehen, die rot schimmernd wie auf einer Schnur aufgereiht über Hessen geflogen sind.

SZ: Außerirdische haben also Roland Koch die Wahlschlappe eingebrockt . . .

Walter: Nun ja. Die Lösung ist ganz einfach: SPD-Anhänger haben den Wahlausgang gefeiert und diese Himmelslaternen steigen lassen, die nun in Mode sind. Das sind Reispapierballons mit einer Brennerlampe, die 500 Meter hoch fliegen können. Früher kannte man sie nur aus Asien, heute sorgen sie dafür, dass das Ufo-Phon nicht mehr still steht. Den Anfang nahm das mit dem VfB Stuttgart. Als der im Mai 2007 Meister wurde, ließen Fans in ganz Baden-Württemberg die Dinger steigen. Das hat mich um den Schlaf gebracht.

SZ: Sie werden nachts angerufen?

Walter: Gerne um zwei, drei Uhr. Da schalt ich den Anrufbeantworter an. Gibt es tagsüber oft die, die fragen, was am Himmel los war, rufen nachts Grenzwertige an. Einer von 20 Anrufern ist das, grad noch hat mir einer von Aliens erzählt.

SZ: Mit Verlaub, manche würden Sie vielleicht auch als grenzwertig sehen.

Walter: Ich betreibe keine Hotline für Außerirdische! Ein Ufo ist nichts anderes als ein unbekanntes Flugobjekt, für das es oft normale Erklärungen gibt: ein Feuerball, ein Wetterballon, eine Laterne. Dass alle automatisch an fliegende Untertassen denken, ist ein Mythos, der sich seit den fünfziger Jahren hält. Weil ich natürliche Erklärungen suche, sehen mich viele Ufologen sogar als Nestbeschmutzer.

SZ: Wie sieht Sie die Wissenschaft?

Walter: Nicht nur bei der Esa hängt meine Telefonnummer an der Pinnwand. Ich weiß das, weil mir die Anrufer sagen, woher sie meine Nummer haben.

SZ: Wie entstand die Ufo-Meldestelle?

Walter: Auch aus der Arroganz der Sternwarten heraus. Da wurden Leute ausgelacht, die sagten: Ich habe da etwas gesehen. Dabei ist nicht alles Blödsinn.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie, wie viele Flugobjekte am Ende wirklich unidentifiziert bleiben.

SZ: Wie viele Flugobjekte bleiben am Ende wirklich unidentifiziert?

Jeden Tag rufen Werner Walter Menschen an, die unbekannte Flugobjekte am Himmel entdeckt haben. (Foto: Foto: dpa)

Walter: Zwei, drei Prozent. Aber auch für die kann Jahre später eine Erklärung kommen. Das beste Beispiel ist das Greifswald-Phänomen. Im August 1990 filmten Touristen unerklärliche Lichterscheinungen über der Ostsee. Das ist bis heute der bestbelegte Fall einer Ufo-Meldung. Ich schrieb Anwohnern, telefonierte - nix. Erst als ich Jahre später einen Aufruf in einer Talkshow machte, meldeten sich Leute, die die Lösung kannten: Es war das letzte Seemanöver der Warschauer-Pakt-Staaten. Die ballerten alle Leuchtraketen raus, die sie hatten. Es gibt aber Ufologen, die die Lichter für Raumschiffe halten.

SZ: Da sind sie in guter Gesellschaft. Der rumänische Militärchef gab bekannt, dass einer seiner Kampfjets im Oktober von einem Ufo touchiert wurde . . .

Walter: Ich habe mir das Video davon angeschaut und glaube: Da ist ein Vogel oder so etwas in die Düse geraten. Was genau, weiß keiner. Und darum nennt der Militärchef es ein unbekanntes Flugobjekt. Der Begriff kommt ja sogar aus der Fliegersprache. Die Öffentlichkeit versteht darunter wieder etwas anderes: fliegende Untertassen. Die Militärs sind an vernünftiger Aufklärung interessiert. Ich war selbst schon im Führungsstab der Luftwaffe zum allgemeinen Briefing.

SZ: Gibt es Ufo-freundliche Zeiten?

Walter: Im Sommer ist richtig etwas los. Da grillen alle und schauen ständig in den Himmel. Wenn das Wetter am Samstag gut ist, weiß ich: Morgen rufen sie an.

SZ: Wie viel Meldungen gibt es im Jahr?

Walter: Da gibt es Wellen. 2006 wollte ich das Telefon fast aufgeben, weil es nur 40 Meldungen gab. 2007 dann der große Boom: 440 Sichtungen! Das hat mit den Laternen zu tun. Das Interesse freut mich, denn 2000 gab es einen Einbruch. Das lag auch daran, dass sich das Video der angeblichen Alien-Autopsie in den 50ern in Nevada als Fake herausgestellt hat. Da ging es mit dem Ufo-Interesse rapide bergab.

SZ: Und doch stirbt die Hoffnung nie, anderes Leben zu sichten. In den USA richten Forscher seit mehr als 40 Jahren ergebnislos Radioteleskope ins All, um Außerirdische zu finden. Glauben Sie an Aliens?

Walter: Außerirdisches Leben mag es geben, ob als blauer Matsch auf irgendeinem Planeten oder als Wesen, die philosophieren können. Wissen kann das keiner.

© SZ vom 30.1.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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