Indien:Die Cola und das Grundwasser

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Coca-Cola und PepsiCo stehen Kreuzfeuer der Kritik, weil, weil ihre Softdrinks angeblich verpestet sind. Doch viele gesundheitsgefährdende Stoffe sind in Lebensmitteln landesüblich.

Manuela Kessler

Aktivisten trichtern Eseln vor laufender Kamera Coca-Cola und Pepsi ein, zerschlagen die Flaschen und trampeln auf dem Glas herum. Ein Scherbenhaufen ist das einzige, was übrig bleibt. Es gilt von einem Feldzug zu berichten: Die amerikanischen Getränkekonzerne Coca-Cola und Pepsi stehen in Indien unter Beschuss, weil ihre Softdrinks angeblich verpestet sind.

Ein Viertel der Bundesstaaten haben ihre Mineralwasser, Limonaden und Säfte ganz oder teilweise verboten, nachdem eine Umweltorganisation in Stichproben lebensbedrohliche Werte an Insektiziden und Pestiziden nachgewiesen hatte. Das kommunistische Kerala erließ ein Vertriebsverbot, andere, von den Hindu-Nationalisten regierte Bundesstaaten untersagten den Verkauf in der Umgebung von Schulen und Ämtern.

Ein Sturm der Empörung hat Indien erfasst, seitdem das in Delhi beheimatete Zentrum für Wissenschaft und Umwelt (CSE) an die Öffentlichkeit getreten ist mit dem Befund, die Getränke der beiden US-Multis enthielten einen Giftcocktail aus DDT, Lindane, Chlorpyrifos und Heptachlor. Der maximal zulässige Belastungswert, den das indische Amt für Normen bereits festgelegt, aber noch nicht eingeführt habe, werde durchschnittlich 24fach überschritten, gab die Umweltorganisation bekannt.

Insektizide im Milchpulver

Die beiden Konzerne wiesen die Vorwürfe natürlich entschieden zurück. Im Chor versicherten sie, ihre Produkte enthielten nur wenig Gift verglichen mit der Menge, die sich in Indien praktisch in allen Lebensmitteln finde - von Milch über Honig bis hin zu Früchten. Studien derselben Organisation, die nun zur Kampagne gegen Coca-Cola und PepsiCo trommelt, bestätigen es: Verseuchtes Grundwasser ist die Quelle des Übels.

Das Zentrum für Wissenschaft und Umwelt fand selbst in Milchpulver und Mineralwasser gefährliche Mengen an Insektiziden und Pestiziden, die von Bauern hemmungslos eingesetzt werden in der Hoffnung, die Ernte so zu steigern. Die Übernutzung der Wasservorräte - notabene auch durch die Getränkehersteller - kommt laut den Fachleuten erschwerend hinzu: Sinkende Grundwasserspiegel führen zu steigenden Giftkonzentrationen.

"Das Land braucht eine Schocktherapie", befand Sunita Narain vor drei Jahren. Damals bereits beschloss ihre Organisation, ein Exempel zu statuieren an den zwei US-Multis, die neun von zehn alkoholfreien Getränken, die in Indien verkauft werden, herstellen.

Die Umweltorganisation erstellte eine erste Studie. Das Urteil fiel ähnlich vernichtend aus wie bei der Neuauflage - und schon damals rief es Politiker auf den Plan, die sich von einer Kampagne gegen die mächtigen Multis zusätzliche Stimmen versprachen in den sich ankündigenden Wahlen. Das oberste Gericht wurde bemüht, eine Verordnung im Parlament erarbeitet - und das Ganze nach dem Urnengang wieder vergessen. Coca-Cola und PepsiCo kamen mit einem blauen Auge davon. Das Image war angeschlagen. Ihr Verkauf in Indien schrumpfte seither stetig, um mehr als zehn Prozent pro Quartal. Genaue Angaben fehlen, beide halten die Umsatzzahlen geheim.

Den Geschäftsberichten ist nur so viel zu entnehmen: Coca-Cola tut sich schwer, die in Indien getätigten Investitionen zu amortisieren. Der in Atlanta beheimatete Konzern hat sich verkalkuliert. Er glaubte, hohe Wachstumsraten würden den indischen Markt für Softdrinks schon bald auf sechs Milliarden Dollar anwachsen lassen. Die Rechnung wurde ohne das Milliardenvolk gemacht.

Wenig Geschmack

Die Inder fanden wenig Geschmack an süßem Sprudel. Alle anderen Asiaten konsumieren weit mehr Softdrinks. PepsiCo passte sich an, indem es die Palette um Fruchtsäfte und Energiedrinks erweiterte. Die Verkaufszahlen stiegen, bevor der jüngste Feldzug dermaßen ausartete, dass er sogar die Zukunft der US-Konzerne in Indien in Frage stellt.

Die unbeholfene Rechtfertigung, welche die beiden Multis abgaben, heizte die Krise noch an. Ihre Andeutung, Indien sei dermaßen verdreckt, dass die Reinheit von Coca-Cola und Pepsi keine große Rolle spiele, brachte die Eiferer am linken und rechten Rand des politischen Spektrums vollends auf. Gemeinsam beschuldigen sie die US-Giganten jetzt des zynischen Profitkalküls und des konsumgesteuerten Neokolonialismus.

© SZ vom 14. August 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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