Hirnforschung:Und jetzt die Fehlervorhersage

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Wenn ein Mensch einen Fehler machen wird, kündigen Hirnsignale dies bereits 30 Sekunden zuvor an - zumindest bei monotonen Handlungen. Lässt sich menschliches Versagen in Zukunft verhindern?

Hanno Charisius

Markus Ullsperger bringt Menschen dazu, Fehler zu machen. Das macht er im Dienst der Forschung - mit System. Er lässt Versuchspersonen monotone Tätigkeiten verrichten und schaut ihnen dabei per Kernspintomographie ins Gehirn. Dabei haben er und seine Kollegen beobachtet, dass sich Fehler über 30 Sekunden bevor sie verübt werden ankündigen.

Wissenschaftler haben festgestellt, dass sich Fehler manchmal 30 Sekunden bevor sie verübt werden ankündigen. (Foto: Foto: iStockphoto)

"36 Sekunden bevor ein Versuchsteilnehmer einen Fehler beging, konnten wir eine Veränderung in seiner Hirnaktivität messen", erzählt Ullsperger, der die Studie geleitet hat. Zusammen mit Kollegen aus den USA, Großbritannien und Norwegen beobachtete der Forscher vom Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln, wie sich im Gehirn eine Art Ruhezustand einstellte, bevor der Fehler passierte ( PNAS, Bd.105, S.6173, 2008).

Die Aufgabe der Probanden ist in etwa dem geschulten Tippen auf einer Schreibmaschine vergleichbar. Sie bestand darin, auf einem Monitor die Richtung von Pfeilen zu erkennen und über zwei Tasten zu bestätigen.

"Die Fehler, die man bei solchen Aufgaben erzeugt, sind einem in der Regel voll bewusst, man weiß es in dem Augenblick, in dem man auf die falsche Taste gedrückt hat", erklärt Ullsperger. Ein anderes Beispiel ist das vorschnelle Versenden einer E-Mail durch einen falschen Mausklick, obwohl sie noch gar nicht fertig geschrieben war.

Das Gehirn gerät ins Straucheln

"Disengagement", nennen die Forscher diesen Hirnzustand, der die Fehlerwahrscheinlichkeit steigert. Das Gehirn gerät ins Straucheln, ohne dass es etwas davon mitbekommt. Sobald das Denkorgan dann aber einen Fehler begangen und sich sogleich dabei ertappt hat, schaltet es wieder in den Ausgangszustand zurück, "jedenfalls sehen unsere Daten so aus", sagt Ullsperger.

Diese Beobachtungen bestätige alte Verhaltensexperimente, die zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen seien, sagt die Psychologin Tanja Endraß von der Humboldt-Universität in Berlin: Wenn eine Versuchsperson beim Erledigen von Routineaufgaben einen Fehler gemacht hat, senkt sie ihre Reaktionsgeschwindigkeit und damit ihre Fehlerquote.

Bemerkenswert findet sie, dass sich solche Fehler ankündigen und durch bildgebende Verfahren prognostizieren lassen, wenngleich auch noch "nicht mit allzu großer Vorhersagekraft", wie Ullsperger einräumt.

Verbesserungen des Verfahrens sollen einmal helfen, menschliches Versagen bei sicherheitskritischen Arbeiten zu verhindern. Allerdings gibt es keine tragbaren Kernspintomographen. Als Nächstes wollen die Forscher daher untersuchen, ob mobile EEG-Geräte, die Hirnstrommuster über eine sensorenbestückte Kappe aufzeichnen, dieselben Messergebnisse erzielen.

© SZ vom 22.04.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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