Hilfe, ich verdurste!:Der Flaschenjunkie

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Die Angst, zu dehydrieren ist komischerweise in genau jenen Ländern und Kreisen am größten, in denen dieses Risiko sehr unwahrscheinlich ist.

Rebecca Casati

Das Gut, das auf der das ganzen Welt das beste Image hat, ist - Wasser . Eigenschaftsarm, wie es nun einmal ist, lässt sich gegen Wasser natürlich nicht viel einwenden, im Gegenteil wird es als Allheilmittel, Wunderwaffe, Erfolgsgeheimnis, Jugend- und Schönheitselixier undsoweiter bezeichnet.

Ist nicht neu, das ist richtig. Interessant aber, wie sich eine hellblaue Wasserflasche aus Plastik in den letzten Jahrzehnten zur Insignie und zum Accessoire wandelte. Die Fähigkeit, riesige Mengen an Wasser zu konsumieren und wieder auszuscheiden, ist zu einer Art Statussymbol der Moderne geworden.

Drei bis vier Liter am Tag

Häufig sieht man Hollywoodschauspielerinnen ein Premierenkino betreten, in der einen Hand ein Abendtäschchen, in der anderen eine blaue Plastikflasche. Mindestens drei bis vier Liter am Tag, wie häufig hört und liest man dieses Mantra? Stars, Sportler, Models, Ärzte, Diätwissenschaftler, einfach alle beteuern immer wieder ihren wachsenden Wasserkonsum, schwärmen von den positiven Folgen, überbieten sich.

Kess erschien gerade Padma Lakshmi auf der Bildfläche, ergriff die Latte - und legte sie gleich ein paar Meter höher. Sie ist Model und Schauspielerin und die Freundin des Schriftstellers Salman Rushdi und verriet unlängst einem britischen Gesellschaftsmagazin, dass sie auf Langstreckenflügen alle 30 Minuten einen Liter Wasser trinkt.

Das macht beispielsweise auf einem Flug von London in ihre Heimat Indien 20 Liter Wasser, die das Bordpersonal ja schließlich bereitstellen und allein für Miss Lakshmi reservieren muss. Eine sehr, sehr beachtliche Menge.

Keine Zeit zum Schlafen

Der Schlaf, der lange als Allheilmittel Nr. 1 galt, ist heute vom Wasser auf Platz 2 verwiesen worden. An Schlaf, so räumte übrigens auch das Model ein, sei bei diesem Trink-Rhythmus nicht zu denken.

Mit dem Durst hat all dies natürlich gar nichts mehr zu tun. Eher mit dem Wunsch nach Reinigung, vielleicht auch dem Bedürfnis, die Sünden zu ertränken.

Die Idee, zu dehydrieren ist komischerweise eine der größten Schreckensvisionen in genau jenen Ländern und Kreisen, in denen dieses Risiko sehr unwahrscheinlich ist. Was möglicherweise bedeutet, dass sich dort die Sünden höher stapeln als anderswo.

© SZ am Wochenende vom 31.1.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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