Grube Messel:Ein Fenster in die Erdgeschichte

Lesezeit: 2 min

Die hessische Grube Messel, wo auch "Ida" lag, ist eine der größten Fossilien-Fundstätten der Welt - trotzdem wäre sie beinahe in eine Müllkippe umgewandelt worden.

Christoph Hickmann

Es geht um eine wissenschaftliche Entdeckung, womöglich eine sensationelle, und man würde zunächst nicht vermuten, dass es dabei auch um Politik geht. Doch die Pressemitteilung der hessischen Grünen zum Fund in der Grube Messel ließ nicht lange auf sich warten. Die Grube berge "viele Schätze", verkündete der Landesvorsitzende Tarek Al-Wazir. Immer wieder zeige sich, "welcher Frevel es gewesen wäre, das Pompeji der Paläontologie mit schnödem Hausmüll zuzuschütten, wie es SPD, CDU und FDP jahrelang planten".

Tatsächlich ist es nur hartnäckigem Widerstand zu verdanken, dass in der bei Darmstadt gelegenen Grube noch heute nach Fossilien gegraben werden kann. Neben den Grünen engagierten sich vor allem Naturschützer und Wissenschaftler gegen die Umwandlung der Grube in eine Mülldeponie. Es gab Unterschriftenlisten, Prozesse und Diskussionen mit der Politik, die - abgesehen von den Grünen - zunächst ganz und gar nicht auf Seite der Steinzeit-Freunde stand. Am Ende waren diese trotzdem erfolgreich, nach beinahe zwei Jahrzehnten des Streits und der Ungewissheit. Die Grube Messel blieb die Grube Messel.

1995 von der Unesco zum Weltnaturerbe erklärt, ist sie eine der bedeutendsten Fossilien-Lagerstätten der Welt. Vor 49 Millionen Jahren setzte sich dort am Boden eines Kratersees Faulschlamm ab. Tierkadaver, die in diese sauerstofffreie Zone hinabsanken, verwesten nicht. Wissenschaftler können in der Grube deshalb bis heute neben Skeletten auch Überreste mit Haut und Haaren entdecken, sogar Muttertiere mit Föten im Leib.

Derart gut konserviert sind die Überreste, dass die Forscher in den Mägen der Tiere zuweilen noch finden, was diese zuletzt gefressen haben. Die Grube ist eine Schatzkammer der Evolution, in der die Wissenschaftler neben gut erhaltenen Insekten und Pflanzen immer wieder spektakuläre Funde machen - etwa Krokodile, ein Schildkröten-Paar oder das berühmte Urpferdchen. Bislang sind mehr als 40.000 Funde verzeichnet, und noch immer geht die Suche weiter.

Im Lauf der Jahrtausende bildete sich aus dem Faulschlamm sowie den darin konservierten Kadavern jener Ölschiefer, den Wissenschaftler heute nach Überresten durchforsten. Zunächst aber, bis 1971, wurde der Ölschiefer im Tagebau abgebaut. Dann entstand Anfang der siebziger Jahre der Plan, aus der Grube eine Mülldeponie zu machen - obwohl man dort bereits im 19. Jahrhundert erste Überreste gefunden hatte und nach Ende des Tagebaus wissenschaftliche Grabungen begannen, das Potential der Grube für die Forschung also bekannt war.

Der Streit zog sich in die Länge. Erst Anfang der neunziger Jahre wurden die Pläne endgültig zu den Akten gelegt. Als Schlussakt unterzeichnete der damalige hessische Umweltminister Joschka Fischer zusammen mit dem damaligen Landrat von Darmstadt-Dieburg einen Vertrag, mit dem das Bundesland die Grube Messel als Fossilienfundstätte erhielt - gegen die Zahlung von mehr als 30 Millionen Mark. Von einem "Fenster in die Erdgeschichte" sprach Fischer damals, das "zugleich ein Fenster in die Umweltpolitik des Landes Hessen" sei. Deutlich später, Fischer war schon Außenminister, bedankte sich die Wissenschaft bei ihm und benannte einen 47 Millionen Jahre alten Python nach dem Kämpfer für die Grube: den Palaeopython fischeri.

© SZ vom 22.5.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: