Gesundheitsmarkt:Der Arzt als Pharmareferent

Lesezeit: 2 min

Arzneihersteller spannen gerne leitende Ärzte ein, um Ansehen und Verkaufszahlen ihrer Medikamente zu heben - mit messbarem Erfolg. Bisher regen sich nur wenige Mediziner darüber auf.

Werner Bartens

Sie heißen Meinungsbildner - oder Mietmäuler. Die Rede ist von Chefärzten, die für ein üppiges Honorar der Pharmaindustrie gute Dienste leisten. Aus Sicht der Arzneimittelhersteller selbst handelt es sich bei den Medizinern, die sie bezahlen, um Handelsvertreter, die allerdings besser entlohnt werden als die offiziellen Pharmareferenten, von denen es allein in Deutschland etwa 18.000 gibt.

Die Glaubwürdigkeit von Ärzten nutzen Pharmakonzerne gerne für ihre Zwecke - denn welche Medikamente der Patient bekommt, bestimmen nicht nur wissenschaftliche Wirknachweise. (Foto: Foto: AP)

Der australische Arzt Ray Moynihan von der Universität Newcastle zeigt im British Medical Journal vom heutigen Freitag, mit welchen Praktiken Mediziner von den Arzneiherstellern angeworben werden (Bd. 336, S. 1402, 2008). Bebildert ist der Beitrag mit einer Arztpuppe, die an Marionettenfäden hängt.

"Die Meinungsbildner waren für uns Verkäufer", sagt Kimberley Elliott, die 18 Jahre lang für Pharmamultis wie Westwood Squibb, Smith-Kline-Beecham und Novartis im Marketing gearbeitet hat und jetzt ausgestiegen ist. "Wir haben immer geschaut, ob sich unsere Investition ausgezahlt hat, indem wir die Menge der Verschreibungen vor und nach Auftritten registriert haben."

In den Firmen, in denen Elliott tätig war, begannen die Arzthonorare für eine Abendveranstaltung bei etwa 1600 Euro. Manchmal wurden aber auch bis zu 3000 Euro für Redner gezahlt. Die Dias oder Powerpoint-Präsentationen stellt das Pharmaunternehmen zur Verfügung.

Geringer Zeitaufwand - viel Verdienst

Zumeist werden darauf Botschaften vermittelt, die von seriöser Forschung nicht gedeckt werden oder wissenschaftliche Ergebnisse verzerren. "Diese Leute bekommen eine Menge Geld dafür, um das zu erzählen, was sie erzählen", sagt Elliott. "Das heißt nicht, dass sie schlecht sind oder alles falsch ist, aber sie sind Pharmareferenten wie die anderen."

Als Beratungsgebühr können Ärzte gemäß den Untersuchungen Moynihans bei Pharmafirmen bis zu 300 Euro Stundenlohn in Rechnung stellen. Manche Ärzte kommen so mit vergleichsweise wenig Zeitaufwand auf einen jährlichen Zusatzverdienst von mehr als 20.000 Euro.

"Die Firmen bezahlen Chefärzte, um mit ihrer Hilfe die Marketingstrategien zu erarbeiten - und um die Mediziner bei Tagungen und Konferenzen präsentieren und sprechen zu lassen", sagt Richard Tiner vom Vorstand der Britischen Pharmazeutischen Industrie.

Obwohl hohe Preise üblich sind, stecken nicht alle Ärzte das Geld in die eigene Tasche. "Manche lassen es ihrer Forschungsabteilung zugute kommen oder spenden das Geld für wohltätige Zwecke", sagt Ray Moynihan.

Üblich ist es auch, dass Ärzte 100 bis 150 Euro für jeden Patienten bekommen, den sie für eine so genannte Anwendungsstudie gewinnen. Das sind - methodisch meist unzureichende - Studien der Pharmafirmen, die zeigen sollen, dass bereits zugelassene Arzneien in der Praxis so wirken, wie es sich die Hersteller erhofft hatten.

Müllmann auf dem "Pharma-Strich"

"Es ist zu einfach, die Industrie als unethisch und korrupt darzustellen", sagt hingegen Charlie Buckwell, Geschäftsführer von Complete Medical Group, einem Dienstleister für Pharmafirmen. "Tatsächlich brauchen Industrie und Medizin sich gegenseitig, um ihre Vorstellungen umsetzen zu können."

In Deutschland sind hohe Industriegagen für Mediziner ebenfalls üblich. Fast 90 Prozent der ärztlichen Fortbildungen werden von Firmen unterstützt, die oft auch bestimmen, wer was vorträgt. Bisher regten sich nur wenige Ärzte darüber auf.

Der Würzburger Mediziner Ulf Rapp, der auch eine Kommission zum Kampf gegen Fälschung in der Forschung leitete, tauchte vor Jahren auf dem Wiesbadener Internistenkongress in der Kleidung eines Müllmanns auf. Er wollte zeigen, dass "auf dem Pharma-Strich" jemand nötig sei, der den Dreck wegmache.

© SZ vom 20.6.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: