Geständnisse:"Wie konnte ich die Klemme im Bauch vergessen?"

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Matthias Rothmund, Chefarzt an der Universitätsklinik Gießen und Marburg.

"Der große und leicht übergewichtige Patient kommt mit der Diagnose Darmkrebs zu mir. Ich entferne den Enddarm unter Erhalt des Afters, die Operation verläuft planmäßig. Wenige Tage nach der Operation wird der Patient wegen Verdachts auf Veränderungen im unteren Abschnitt der Lunge geröntgt.

Matthias Rothmund (Foto: Foto: oh)

Zufällig zeigt die Aufnahme am Rand auch Teile einer Klemme im Bauch. Ich unterrichte den Patienten sofort über den Befund. Die Klemme wird unter erneuter Eröffnung der Bauchwunde entfernt. Ich melde den Fall meiner Versicherung. Der Patient erhält von der Versicherung in außergerichtlicher Einigung ein Schmerzensgeld.

Natürlich bin ich als Operateur der Verantwortliche und Schuldige. Immer wieder überlege ich, wie ich die Klemme habe ,vergessen' können. Ich habe mit einem Assistenten operiert, mit dem ich noch wenig zusammengearbeitet hatte. Während der Operation habe ich ihm mehrfach gesagt, dass er bestimmte Dinge tun oder unterlassen solle.

Ich hatte ihn allerdings beim Verschluss der Bauchdecke nicht daran gehindert, eine Klemme an einer Stelle am Bauchfell zu fixieren, wo ich normalerweise eine solche Klemme nicht hinsetze. Ich tat es nicht, um ihn nicht noch einmal zurechtzuweisen. Möglicherweise war es diese Klemme, die abgerissen und unter die Bauchdecke gerutscht war.

Die Operationsschwester hat zwar die Tupfer und Bauchtücher nach der Operation gezählt, nicht jedoch die Instrumente. Ungefähr fünf Jahre nach der Operation kommt der Patient erneut in meine Sprechstunde. Bei ihm sei ein Leistenbruch diagnostiziert worden, und er bittet mich, diesen zu operieren.

Ich bin erstaunt, dass er zu mir kommt. Er erklärt, er sei gut operiert worden, sein Tumorleiden sei nicht wiedergekommen. Wir hätten zwar einen Fehler gemacht, diesen Fehler jedoch sofort offen eingestanden. Er habe deshalb Vertrauen in meine Person und die Klinik. "

Protokoll: Aktionsbündnis für Patientensicherheit

© SZ vom 28.02.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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