Geständnisse:"Ich habe den Willen der Patientin missachtet"

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Peter Sawicki, Facharzt für Innere Medizin, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.

"Sie ist etwa 75 Jahre alt und hat starke Luftnot, als ich sie als junger Assistenzarzt im Nachtdienst sehe: schneller Pulsschlag, niedriger Blutdruck, deutliche Rasselgeräusche beim Atmen - die Diagnose ist schnell klar - Herzschwäche mit Wasseransammlung in der Lunge.

Peter Sawicki (Foto: Foto: GBA)

Ihr Zustand bessert sich rasch unter der Gabe von harntreibenden Medikamenten.

Ich untersuche die Patientin sorgfältig und glaube, mit meinem Stethoskop über dem Herz die Verengung einer Herzklappe und die Schwäche einer anderen zu hören. Das ist den sie bislang behandelnden Ärzten nicht aufgefallen. Und tatsächlich, meine Diagnose wird durch den Ultraschallbefund des Herzes bestätigt.

Mit ausgeprägtem Stolz und dem Ziel, meiner Diagnose eine ursächlich heilende Therapie folgen zu lassen, präsentiere ich meine Patientin den Kardiologen und Kardiochirurgen. Sie haben aber aufgrund verschiedener Befunde Bedenken, ihr neue Herzklappen einzusetzen. Ich sammle weitere Befunde und stelle den klinischen

Zustand der Patientin so dar, dass die Herzschwäche als sehr bedrohlich, ihre sonstige Verfassung aber eher günstig erscheinen. Womit ich nicht gerechnet habe: Die Patientin will gar nicht operiert werden. Sie sagt mir, sie habe große Angst davor, sie möchte lieber noch einmal ihre Enkel sehen und deshalb bald nach Hause. Lange sitze ich an ihrem Bett, spreche mit ihr und kann sie schließlich überreden, der Operation zuzustimmen.

Eine Woche nach der Verlegung in die Kardiochirurgie erfahre ich, dass die Patientin kurz nach der Operation verstorben ist. Mein Fehler war, dass ich meinen eigenen Erfolg zeigen wollte und den Willen der Patientin missachtet habe.

Ich hätte vor den Kollegen mit meiner Diagnose, die andere übersehen hatten, erst richtig prahlen können, wenn die Patientin durch die Operation "geheilt" worden wäre. Für diesen Ärzteegoismus habe ich das Leben meiner Patientin aufs Spiel gesetzt und verloren."

Protokoll: Aktionsbündnis für Patientensicherheit

© SZ vom 28.02.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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