Gerechtigkeitssinn:Wir sind alle Robin Hood

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Nehmt von den Reichen und gebt es den Armen - nicht nur der englische Edelmann ist so großzügig veranlagt. Forscher fanden heraus: Ein bisschen Robin Hood steckt in jedem von uns.

Marcus Anhäuser

Lasst uns die Reichen bestrafen und den Armen spenden. Was sich wie das Motto der Romanfigur Robin Hood anhört, ist auch das Ergebnis eines ökonomischen Spiels mit 120 Studenten an der Universität im kalifornischen Davis.

Für das Forscherteam um den Politikwissenschaftler James Fowler ist es der Beleg dafür, dass Menschen einen tiefsitzenden Sinn für Gerechtigkeit haben, der sie antreibt, Ungleichheit zu beseitigen.

Immer wieder haben Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler die Bedingungen menschlicher Fairness untersucht. Bei ihren Spielen geht es meist um das Verteilen von Geld. Dabei haben die Forscher festgestellt, dass viele Probanden auf eigene Kosten Mitspieler bestrafen, die sich unfair verhalten. "Warum machen sie das? Wollen sie die Kooperation in der Gruppe aufrechterhalten, von der sie selbst profitieren, oder handeln sie aus einem uneigennützigen Sinn für Gerechtigkeit?", fragen sich die kalifornischen Forscher in Nature (Bd.446, S.794, 2007).

Um eine Antwort zu finden, entwarfen Fowler und sein Team ein Spiel, in dem niemand zum eigenen Vorteil handeln konnte. In fünf Runden verteilten die Forscher virtuelle Geldbeträge zufällig an die Spieler, sodass es reiche und arme Mitglieder der jedes Mal anders gemischten Gruppe gab. Dann konnte jeder Spieler anderen Teilnehmern auf eigene Kosten Geld abziehen oder zuweisen. Was am Ende übrig war, durften alle mitnehmen: im Durchschnitt zehn Dollar.

Den Reichen nehmen, den Armen geben

Um die 70 Prozent der Teilnehmer nutzen die Möglichkeit, das Einkommen der Mitspieler zu verändern. Die Tendenz war eindeutig: Den Reichen zogen ihre Mitspieler fünf- bis sechsmal so viel ab wie den Armen. Gleichzeitig spendeten sie bei unterdurchschnittlichem Einkommen fast dreimal so viel wie bei überdurchschnittlichem. Die ungleiche Zuteilung hatte viele Spieler erregt, wie ein Fragebogen offenbarte: Besonders erzürnte Spieler investierten 26 Prozent mehr Geld, um Hochverdiener zu bestrafen, und spendeten 70 Prozent mehr an Niedrigverdiener als Spieler, die emotional nicht berührt waren.

Diese Studie löst Umdenken bei Wirtschaftsforschern aus: "Bisher dachten wir, dass vor allem das Verletzen sozialer Norm Menschen dazu bringt, andere zu bestrafen", sagt Ernst Fehr von der Universität Zürich. Wie tief aber das Bedürfnis nach Gerechtigkeit sitze, könne jeder an sich selbst testen: "Stellen Sie sich vor, man könnte einen Euro zahlen und Josef Ackermann, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, würden dafür zehn Euro abgenommen." Fehr vermutet, dass viele Menschen zahlen würden, weil sie Managergehälter ungerecht finden.

© SZ vom 12. April 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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