Gentechnik:Den gläsernen Menschen soll es nicht geben

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Die Bundesregierung reagiert auf den wissenschaftlichen Fortschritt: Das geplante Gendiagnostik-Gesetz setzt den Auskunftswünschen von Versicherungen und Arbeitgebern Grenzen.

Von Christina Berndt und Heidrun Graupner

Wer eine Lebensversicherung bis zu 250.000 Euro abschließen will, soll auch künftig keinen Gentest vorlegen müssen. In dem geplanten Gendiagnostik-Gesetz der Bundesregierung wird es nach den Worten der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Gudrun Schaich-Walch keine Ausnahmen für die Versicherungswirtschaft geben.

Die Versicherungen hatten sich vergangene Woche gegen das Gesetz ausgesprochen und an ihr freiwilliges Moratorium erinnert, das bis 2011 gilt. "Ein Moratorium ist eine Sache, ein Gesetz eine andere", sagte Schaich-Walch. Letzteres sei nötig, damit auch in Zukunft jeder eine Chance auf Versicherungsschutz habe.

Ein erster Entwurf für ein "Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen", kurz Gendiagnostik-Gesetz, liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Für Verwirrung sorgte Abschnitt 6 über den Schutz von Arbeitnehmern vor obligatorischen Gentests.

Kein Gentest beim Arbeitgeber

Die Grünen befürchteten, Beamte, Richter und Soldaten könnten von einem Gentest-Verbot ausgenommen werden, weil nur von "Beschäftigten" die Rede war. Die Sprecherin des Bundesinnenministeriums, Annette Stefan, wies diesen Verdacht aber zurück. Eine Sonderrolle des öffentlichen Dienstes sei nicht vorgesehen, sagte sie. Auch Schaich-Walch versicherte: "Beamte werden nicht ausgenommen."

Bis zum Frühjahr will eine fachübergreifende Arbeitsgruppe der Koalition unter Federführung des Gesundheitsministeriums einen Gesetzentwurf vorlegen, der bis 2006 verabschiedet werden soll. Derzeit werden in den Sitzungswochen des Bundestags jeweils am Freitag Details besprochen.

In der wichtigsten Aussage ist man sich indes einig: Das Gendiagnostik-Gesetz soll auf einem Diskriminierungsverbot fußen: "Niemand darf wegen seiner genetischen Eigenschaften oder der genetischen Eigenschaften einer anderen Person benachteiligt werden", heißt es in Paragraph 4.

Autonomie über Gendaten

Der Verweis auf die "andere Person" ist wichtig, weil Erkenntnisse über die Gesundheit eines Menschen auch aus Gen-Daten seiner Verwandten gezogen werden können.

Einigkeit besteht auch in der Autonomie, die jeder Einzelne über seine Gen-Daten behalten soll. Arbeitgeber, Versicherungen oder Wissenschaftler sollen dem Arbeitsentwurf zufolge die Erkenntnisse aus den Erbanlagen nur eingeschränkt nutzen dürfen. Allerdings gibt es Ausnahmen. So sollen Versicherungen weiter nach Gentests fragen dürfen, wenn die Policen hohe Summen überschreiten - 250.000 Euro bei einer Lebensversicherung zum Beispiel.

"Phänotypische Tests" sollen erlaubt sein. Unter dem Phänotyp verstehen Genetiker, wie sich die in den Erbanlagen festgeschriebenen Eigenschaften ausprägen. Als Beispiel nennt der Arbeitsentwurf, dass Piloten untersucht werden dürfen, ob sie unter Rot-Grün-Blindheit leiden. Ein solcher Sehtest erlaubt allerdings direkten Rückschluss auf die Gene, weil die Rot-Grün-Blindheit im Erbgut festgeschrieben ist.

© SZ vom 26.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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