Gentech-Lebensmittel:Jäger der versteckten Gene

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In der EU gelten strenge Grenzwerte für Gentechnik im Essen, entsprechende Lebensmittel müssen gekennzeichnet sein. Doch kann man sich auf die Etiketten verlassen?

Wiebke Rögener

Ob Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Bestandteilen auf den Tisch kommen, soll der europäische Verbraucher selbst entscheiden dürfen. Daher ist in den EU-Staaten seit dem Jahr 2000 die Kennzeichnung genmanipulierter Lebensmittel Pflicht.

Lassen sich die Verordnungen der EU überhaupt durchsetzen? (Foto: Foto: dpa)

Sind mehr als 0,9 Prozent genmanipulierte Bestandteile in Nahrungsmitteln enthalten, muss ein entsprechendes Etikett auf die Verpackung. Gentechnisch veränderte Organismen (GVO), die in der EU nicht zugelassen sind, dürfen gar nicht nachweisbar sein.

Doch lassen sich solche Verordnungen überhaupt durchsetzen? Immer wieder gibt es seit der Einführung der Kennzeichnungspflicht Ärger mit Importen aus Staaten, in denen die Grüne Gentechnik erlaubt ist.

Kontaminierte US-Importe

So wurde 2006 in Import-Reis aus den USA die genmanipulierte und in der EU verbotene Sorte LL601 entdeckt. Auch Mais der damals nicht zugelassenen Sorte Herculex fand sich 2007 in US-Importen. Angesichts der auch im Nahrungsmittelsektor globalisierten Welt stellt sich die zentrale Frage: Wie können mögliche Beimischungen gemessen werden?

Mehr als 500 Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft haben in der vergangenen Woche im italienischen Como versucht, Antworten auf diese Frage zu finden. Es war die erste globale Konferenz zur GVO-Analyse, eingeladen hatte die Gemeinsame Forschungsstelle der EU, das Joint Research Center, JRC.

Die Beiträge zeigten indes vor allem die Fronten auf: Wo die einen diskutierten, wie die Analysen von Nahrungsmitteln genauer und zuverlässiger werden könnten, drängten die anderen auf weniger aufwendige und schnellere Tests, um den Handel nicht zu behindern.

Zu den vorgestellten neuen Technologien gehören Verfahren, mit denen sich mehrere Gentechnik-Elemente auf einmal nachweisen lassen. So passt eine Analyse für mehr als dreißig verschiedene Genmanipulationen heute auf ein wenige Quadratzentimeter großes Glasplättchen - sehr praktisch, wenn es darum geht, etwa einen Soja- oder Mais-Import aus den USA auf die vielen dort zugelassenen Gentech-Sorten hin zu untersuchen.

Heftig diskutiert wurde auch über die richtige Probenentnahme. Es ist kein triviales Problem, aus einer Schiffsladung Getreide die richtige Anzahl Proben an den richtigen Stellen zu entnehmen. "Man kann keineswegs davon ausgehen, dass GVO-Beimischungen gleichmäßig in der Ladung verteilt sind", erklärte Kim Esbensen von der Universität Aalborg in Dänemark. Durch eine nicht-repräsentative Entnahme der Proben würden die Fehler 50 bis 100-mal so groß wie durch Messfehler bei den Analysen der einzelnen Proben.

Eine Studie im Auftrag des "European Network of GMO Laboratories" hatte gezeigt, dass es riesige Unterschiede im Gentechnik-Gehalt zwischen verschiedenen Proben aus ein und derselben Schiffsladung Sojabohnen geben kann ( European Food Research & Technology, Bd. 224, S. 129, 2006) "Jedes Korn im Laderaum muss die gleich Chance haben, in die Kontrolle zu geraten", betonte Esbensen.

Am besten sollten aus allen Luken eines Frachters während des gesamten Entladevorgangs immer wieder Körner entnommen und analysiert werden. Eine Forderung, die Importeure nicht begeistert. "Je genauer, desto teurer", beklagte Klaus Schumacher von der Firma Töpfer international, die weltweit mit Getreide, Ölsaaten und Futtermitteln handelt. Schließlich koste es pro Tag 70.000 Dollar, ein Schiff zu chartern.

Ein völlige Trennung von Produkten mit und ohne Gentechnologie sei seiner Ansicht nach ohnehin nicht möglich. Schumacher plädierte für "technische Lösungen, die den Handel nicht beeinträchtigen".

Grundsätzlich gibt es zwei Wege, gentechnisch veränderte Organismen in Agrarprodukten nachzuweisen: Entweder man sucht mit der so genannten Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) beispielsweise direkt im Erbgut der Körner nach künstlich eingebauten Genen - ein Verfahren, das auch in der Kriminaltechnik verwendet wird, wenn der "genetische Fingerabdruck" eines Verbrechers ermittelt werden soll.

Oder man sucht nach Eiweißen, die auf die gesuchten Gene zurückzuführen sind. Dafür gibt es vergleichsweise preiswerte Teststreifen, die schnell ein Ergebnis liefern. Allerdings sind sie weniger genau und lassen vor allem nicht erkennen, welche Sorte eines gentechnisch veränderten Produkts im Getreidesack oder im Schiffsbauch steckt.

Nicht nur Vertreter der Wirtschaft, auch Konferenzteilnehmer aus ärmeren Ländern plädierten in Como dennoch für diese einfacheren und billigeren Tests. So gab Maria Mercedes Roca vom Pan American College of Agriculture aus Honduras zu bedenken, dass die Kosten für einen PCR-Tests mit rund 100 Dollar sehr hoch seien und stellte deren Notwendigkeit in Frage. Schließlich ginge von den Gentech-Beimengungen keinerlei Gefahr aus, meinte sie.

Guy van den Eede, Leiter der Abteilung Biotechnologie beim JRC und Organisator der Konferenz, zeigte sich jedoch "absolut überzeugt" davon, dass es der EU gelingen werde, die bestehenden Normen zu erhalten.

"Ich verstehe zwar, dass das für Länder, die selbst keine Kennzeichnung verlangen, zusätzliche Kosten bedeutet. Wo immer sie die Möglichkeit haben, werden sie das vorbringen", kommentiert er die Debatten auf der Konferenz. Doch sei es völlig gerechtfertigt, dass die EU an Kennzeichnung und Kontrollen festhalte. "Man darf nicht vergessen, dass es schon etliche Fälle gegeben hat, wo nicht zugelassene GVO in Europa aufgetaucht sind. Das darf nicht vorkommen."

Forderung nach Erbgut-Analysen

Preiswerte Eiweiß-Schnelltests seien zwar eine brauchbare Möglichkeit, um mal schnell eine Lastwagenladung zu testen. "Doch wir haben klargemacht, dass wir für Einfuhren Erbgut-Analysen verlangen", sagt van den Eede. "Das ist der einzige Weg, um die in der EU zugelassene GMO von den nicht erlaubten zu unterscheiden."

Doch auch wenn die EU-Behörden auf genauen Analysen bestehen - längst nicht jeder Import wird überprüft. Es müsse schon ein spezieller Verdacht vorliegen, erklärte van den Eede, damit engmaschig kontrolliert wird. So würden Langkornreis-Lieferungen aus den USA ständig getestet, seit die LL601-Kontaminationen entdeckt wurden.

"So aufwändige Probennahmen und Analysen wie beim LL-Reis gibt es aber nur, wenn wir zufällig einen Hinweis auf eine Kontamination bekommen", sagt Hans-Ulrich Waiblinger vom Chemischen und Veterinär-Untersuchungsamt Freiburg. Ansonsten sei der Personalaufwand viel zu groß. Auch fehlten bei nicht zugelassenen GVO oft Vergleichsmaterialien, um diese zumeist unbekannten Gentech-Sorten überhaupt erkennen zu können. Sie würden daher oft nur zufällig entdeckt.

Nichtregierungsorganisationen, die der Gentechnik kritisch gegenüberstehen, möchten das Zufallsprinzip gerne mindern und geben daher oft selbst Analysen in Auftrag. Als deren einzige Vertreterin sprach in Como Janet Cotter von Greenpeace. Auch Sie wäre froh über billige Testverfahren, freilich nicht auf Kosten der Genauigkeit. "Derzeit gleichen unsere Analysen der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen", sagt die britische Gentech-Expertin. Niemand wisse, wie viele illegale Gentech-Beimengungen in Importen aus aller Welt nach Europa gelangten. Sorge machen ihr vor allem die vielen Genveränderungen, die bisher nur in Freiland-Experimenten erprobt werden, etwa Gentech-Pflanzen, die Medikamente oder Impfstoffe erzeugen sollen.

"Da sie noch nirgendwo ein Zulassungsverfahren durchlaufen haben, liegen keine Referenzmaterialien und Testprotokolle vor", sagt Cotter. Daher könne niemand ausschließen, dass Gene von Pharmapflanzen bereits in Lebensmitteln auf den Markt kommen. Die Risiken seien völlig unkalkulierbar. Nur extrem aufwendige, flächendeckende Analysen könnten Gentech-Kontamination ausschließen und garantieren, dass die EU-Bestimmungen eingehalten werden, sagt Cotter. "Womöglich wäre es insgesamt doch einfacher, auf Gentech-Pflanzen zu verzichten."

© SZ vom 09.07.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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