Gen-Forschung:"Ein unverzichtbares Werkzeug"

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Vor fünf Jahren wurde die menschliche DNA entschlüsselt, doch was hat denn die Menschheit nun konkret davon? Ein Interview mit Hrabe de Angelis, Professer für Humangenetik an der Technischen Universität München.

Nikolaus Steiner

Im Februar 2001 publizierte die Forschergruppe des Human-Genom Projektes ihre Ergebnisse in der Wissenschaftszeitschrift Nature. Ziel war es, die Abfolge der Basenpaare des menschlichen Genoms exakt niederzuschreiben. Man hatte also die Buchstabenreihenfolge, doch über die Wörter, die Gene, und ihre Wirkweise wusste man wenig.

Keine unrealistischen Versprechungen: Prof. Hrabe de Angelis (Foto: Foto: dhgp.de)

sueddeutsche.de: Herr de Angelis, wieviele Gene hat denn der Mensch?

de Angelis: Es kommt immer darauf an, was man als Gen definiert - das ist das Problem. Man geht heute von 20.000 - 25.000 "Genen" aus.

sueddeutsche.de: Welche neuen Erkenntnisse kamen denn in diesen fünf Jahren hinzu?

de Angelis: Das große Thema heute ist die Phänotyp/Genotyp-Korrelation. D.h. jeder Mensch hat einen bestimmten Genotyp, also eine Zusammensetzung von Genen, die man von seinen Eltern geerbt hat und der Phänotyp ist unser Aussehen, das von den Genen abhängt.

Bei Zwillingen sind Genotyp und Phänotyp fast identisch. Diese Korrelation ist bei Krankheiten bedeutend: Inwiefern ist eine genetische Konstellation, Genotyp, verbunden mit dem, was später als Krankheit herauskommt. Das wäre dann der Phänotyp.

Diese Korrelation bildet momentan den Schwerpunkt unserer Forschung. Wie ist das was in den Genen steht eigentlich übersetzt zu dem was wir später im Organismus sehen und vorfinden. Und da ist diese entschlüsselte Sequenz des Human-Genom-Projektes äußerst wichtig, weil sie das Fundament unserer Forschung bildet.

sueddeutsche.de: Bei welchen Krankheiten wurden weitere Erkenntnisse gesammelt?

de Angelis: Bei Chorea Huntington, Morbus Chron und Trisomie 21 - aber heilen kann man sie noch nicht, wir haben jetzt nur ein viel besseres Verständnis. Wenn wir die Funktionsweise verstanden haben, kommt der nächste Schritt, bei dem wir versuchen diese erkannten Probleme zu verändern.

sueddeutsche.de: Aber was bringt das dem Patienten?

de Angelis: Es wird dem Patienten viel bringen. Das Problem ist immer, dass man denkt, man findet heute was und morgen hilft es dem Patienten. Diese Versprechungen, die auch einige Wissenschaftler gemacht haben sind einfach unrealistisch: zu sagen in zwei, drei Jahren haben wir das. Haben wir nicht. Das wird 20 oder 30 Jahre dauern.

Und dann wird man viel mehr erklären und heilen können als heute, aber sicher auch nicht alles. Das kam alles durch den Hype der entschlüsselten DNA-Sequenz. Aber die Sequenz ist eine Grundlage und jedes Labor verwendet diese heute selbstverständlich. Wie ein Mikroskop. Es ist ein unverzichtbares Werkzeug. Es war ein extrem wichtiger Schritt für die Wissenschaft.

sueddeutsche.de: Weiß man denn von bestimmten Genen, dass Sie Krankheiten verursachen?

de Angelis: Das lernt man jetzt nach und nach. Wenn Sie z.B. in Deutschland schauen, wo wir uns darauf fokussieren die Krankheitsmechanismen, Krankheitsgene zu finden, da sind in den letzten Jahren einige Fortschritte erzielt worden. Demnächst kommt ein paper heraus, in dem es um neue Erkenntnisse bei einer bestimmten Herz-Kreislauf Erkrankung geht. Das sind alles Folgen dieses Genom-Projektes.

sueddeutsche.de: Wird man große Volkskrankheiten wie Alzheimer oder Allergien durch Fortschritte in der Humangenetik heilen können?

de Angelis: Das Nächste was wir brauchen ist, dass man die Genom-Umwelt-Interaktion studiert. Denn bei den so genannten Volkskrankheiten spielen zwei Dinge eine Rolle: zum Einen die persönliche genetische Disposition und zum Zweiten die Umwelt, in der sie leben, d.h. welchen Substanzen sie ausgesetzt sind.

Wie das Ganze zusammenspielt auf molekularer Ebene, ist die große Frage. Wie kommt es, dass es bei der einen Person zu einer Allergie kommt und bei der anderen nicht? Also an welchen Punkten wirkt ein Allergen? Das herauszufinden ist die nächste Stufe. Wenn man etwas molekular behandeln will, so muß man es vorher verstanden haben.

Es heißt natürlich trotzdem: Wer heilt, hat recht. Auch wenn er nicht weiß, was er tut. Aber trotzdem versuchen wir ja eine Evidenz-basierte Medizin einzuführen um auch die vielen Nebenwirkungen die es gibt, möglichst gering zu halten.

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