Forschungs-Skandal:"Getäuscht, plagiiert, und systematisch verschleiert"

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Der Frankfurter Professor Protsch von Zieten hat in den "vergangenen 30 Jahren Fakten gefälscht und manipuliert", so das Urteil einer Experten-Kommission. Der Anthropologe hat dadurch das Bild von der Entwicklung des Menschen verfälscht.

Der bekannte Frankfurter Anthropologe Reiner Protsch von Zieten hat nach Überzeugung einer Expertenkommission jahrzehntelang sein Amt für Fälschungen und Manipulationen missbraucht.

Falsch datierte Schädel - Reiner Protsch von Zieten in seinem Labor. (Foto: Foto: dpa)

In einem in Frankfurt veröffentlichen Abschlussbericht empfiehlt das Gremium daher harte Disziplinarmaßnahmen gegen den Professor.

Protsch selbst hat bereits Konsequenzen gezogen: Er hat sich in den Ruhestand versetzen lassen.

Wie die Frankfurter Universität am Donnerstag mitteilte, wird sie das eingeleitete Disziplinarverfahren gegen den 66-Jährigen weiter betreiben.

Die Experten werfen Protsch vor, "im Verlauf der vergangenen 30 Jahre immer wieder wissenschaftliche Fakten gefälscht und manipuliert" zu haben.

Protsch habe unter Vorspiegelung eines funktionierenden Datierungslabors "Auftraggeber von Datierungsanalysen getäuscht, das geistige Eigentum anderer missbraucht beziehungsweise plagiiert, seine Regelverletzungen systematisch verschleiert und sich Gegenstände im Eigentum anderer rechtswidrig angeeignet oder über deren Herkunft getäuscht".

Die Kommission empfahl zu prüfen, ob Protsch "das Ruhegehalt abzuerkennen ist".

Vorwürfe gegen die Universität

Darüber hinaus erhebt das Gremium Vorwürfe gegen die Universität. Die Frage, warum das "offensichtlich wissenschaftliche Fehlverhalten" des Beschuldigten nicht bereits viel früher entdeckt und durch die Universität Frankfurt geahndet wurde, beantwortete die Kommission unter anderem mit dem Hinweis auf das Fehlen entsprechender universitärer Instanzen.

Außerdem seien frühere Hochschulleitungen nicht konsequent genug nachgegangen, heißt es in dem Bericht.

Kollegen und Universitätsleitung hätten "Ausmaß und Tragweite des Fehlverhaltens von Professor Protsch offensichtlich falsch eingeschätzt und es deshalb nicht konsequent verfolgt".

Die Mitarbeiter, der Fachbereich Biologie und die Univerwaltung seien somit "in unterschiedlichem Umfang mitverantwortlich dafür, dass die intern offenbar teilweise bekannten Vorgänge erst seit Januar 2004 rekonstruiert und die Beweise gesichert werden konnten".

Die Kommission empfiehlt der Hochschule nun wirksame Gegenmaßnahmen.

Verfälschtes Bild von der Entwicklung des Menschen

Erstmals war im August vergangenen Jahres der begründete Verdacht aufgekommen, dass Protsch offenkundig vermeintliche Schädelfunde aus der menschlichen Vorgeschichte um zehntausende von Jahren vordatiert und damit ein verfälschtes Bild von der Entwicklung des Menschen gezeichnet hatte.

Untersuchungen mit der Radiokarbonmethode ergaben nach Expertenangaben, dass die von Protsch als Sensationsfundstücke vorgestellten Schädelfragmente statt mehr als 30.000 Jahre nur wenige hundert Jahre alt waren.

Der Frankfurter Professor habe damit die anthropologische Wissenschaft in die Irre geführt, hieß es. Der Greifswalder Archäologe Thomas Terberger wurde bereits vor Monaten mit den Worten zitiert: "Die Anthropologie muss jetzt ein neues Bild des anatomisch modernen Menschen in dem Zeitraum zwischen 40.000 und 10.000 entwerfen."

Das Präsidium der Frankfurter Universität verwies darauf, dass mit der Versetzung Protschs in den Ruhestand ein Hauptziel der Hochschule erreicht sei und der Beschuldigte seine umstrittene Tätigkeit an der Hochschule nicht mehr fortsetzen könne. Gleichwohl werde das Disziplinarverfahren fortgesetzt.

"Als Ergebnis kommt die teilweise oder vollständige Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht", heißt es in der Erklärung des Präsidiums.

Die Hochschule verwies ferner auf die gegen Protsch parallel laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und unterstrich ihr Interesse an deren baldigem Abschluss.

"Damit hat die Universität mit äußerster Konsequenz alles in ihrer Macht stehende zur Aufklärung des Falles Protsch getan", erklärte Universitätspräsident Rudolf Steinberg, der sich ausdrücklich im Namen der Universität "bei allen durch Herrn Protsch Geschädigten" entschuldigte.

Protschs Anwalt war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Der 66-Jährige selbst hatte nach einem Bericht der Frankfurter Neuen Presse vom 14. Januar die Ergebnisse des damals noch unveröffentlichten Kommissions-Berichts weitgehend zurück gewiesen.

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