Folgen des Klimawandels:Wer zu spät kommt, den frisst die Hyäne

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Es wird wärmer auf der Erde. Deshalb sind auch afrikanische Antilopen immer häufiger in der Kälte der Nacht unterwegs. Das aber kann tödlich enden.

Robert Lücke

Große Hitze am Tag verleitet dazu, wichtige Aktivitäten auf die kühleren Abend- oder Nachtstunden zu verlegen. Das ist bei Mensch und Tier so und eigentlich auch sinnvoll.

Antilopen in der afrikanischen Kalahari-Wüste. (Foto: Foto: iStock)

Doch unter Umständen kann dieses Verhalten lebensbedrohlich sein. Aktuell betroffen sind Antilopen, also ausgerechnet jene Tierfamilie, die seit mehreren hundert Millionen Jahren die Erde bevölkert und damit zu den ältesten Säugetieren gehört.

Seit Urzeiten bewiesen Antilopen eine große Anpassungsfähigkeit an neue Fressfeinde und veränderte Umweltbedingungen. Den Anforderungen der Evolution schienen sie mit großer Robustheit zu widerstehen. Nun wird es zunehmend wärmer auf dem Globus, und die Antilopen sind immer häufiger bei Dämmerung oder in der Nacht aktiv, was sie einer größeren Gefahr aussetzt, von Löwen, Hyänen und Leoparden gefressen zu werden.

Kritische Verhaltensänderungen

Wissenschaftler des Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und der University of the Witwatersrand in Johannesburg haben im Rahmen eines Projektes des Bundesforschungsministerium von 2002 bis 2006 untersucht, wie frei lebende Huftiere in Europa und Afrika mit steigenden Temperaturen zurechtkommen (The Journal of Experimental Biology, Bd.206, S.1471, 2007).

In der Studie werden das Verhalten und die Raumnutzung von Zebras, Blessböcken und Gnus in südafrikanischen Schutzgebieten wie dem Suikerbosrand-Reservat beobachtet und mit recht nah verwandten Tieren wie Przewalskipferden, Heckrindern sowie Mufflons im gemäßigten Klima Deutschlands verglichen. Offensichtlich führt größere Hitze zu Verhaltensänderungen, die zumindest bei südafrikanischen Antilopen kritische Ausmaße erreichen.

Zunächst hatten die IZW-Forscher Klaus Scheibe und Anne Berger in Kooperation mit Norman Owen-Smith und Tracy Robinson aus Johannesburg beobachtet, dass die Tiere bei zunehmender Hitze nicht mehr tagsüber äsen, sondern vorwiegend in den Abendstunden. Mit eigens entwickelten Halsbändern verfolgten die Forscher den Tagesablauf von Zebras, Gnus und Blesbok-Antilopen über drei Jahre hinweg.

"Im Laufe der Evolution haben die Tiere gelernt, am Tag zu fressen, weil sie dann Raubtiere besser riechen, hören und sehen können", sagt Anne Berger. Wenn sie aber im Dunkeln fressen, können sie die Raubtiere schlechter orten, weil ihre Fressgeräusche den Gehörsinn beeinträchtigen. Zudem sehen sie die Raubtiere unter Umständen erst zu spät. Die Raubtiere ihrerseits sehen im Dunkeln besser, und die Huftiere verraten sich durch Kaugeräusche.

Eigentlich haben Antilopen in ihrer Evolutionsgeschichte immer wieder bewiesen, wie gut sie sich auf neue Lebensbedingungen einstellen können. Bei steigenden Temperaturen entwickelte sich bei den Tieren dickerer Zahnschmelz, der besser mit der härteren Pflanzennahrung zurechtkam. Im Laufe der Evolution lernten sie außerdem, immer schneller zu rennen und höher zu springen, um ihren Feinden, wie etwa dem Geparden, entkommen zu können.

Dafür entwickelten sie längere Sehnen, die wie elastische Zugseile funktionieren. Antilopen lernten auch, mit Gnus und Zebras in lockeren Verbünden zu leben, in denen ein Einzeltier seine Chance erhöht, einem Angriff zu entgehen. Auch an Trockenheit passten sich Antilopen an.

Ob Afrika oder Brandenburg

So entdeckten Forscher des National Wildlife Research Centers von der Ohio State University, dass die in der arabischen Wüste beheimateten Oryxantilopen ihre Körpertemperatur um bis zu sieben Grad anheben können und so ein Drittel weniger Wasser benötigen. In heißen Sommern mit Tageshöchstwerten von 45 Grad erhöhen die Tiere ihre Körpertemperatur von 38 auf 43 Grad. So spart jedes Tier etwa einen halben Liter Wasser, das sonst ausgeschwitzt würde, um zu kühlen.

Nun könnte es sein, dass die mit dem Klimawandel einhergehenden Veränderungen für die Antilopen einfach zu schnell geschehen. "In Afrika wird seit Jahren darüber diskutiert, ob und wie diese und andere Verhaltensänderungen Folge der globalen Erwärmung sind und weitreichende Konsequenzen für diese Arten haben könnten", sagt Berger. Inwieweit tatsächlich der Klimawandel die Ursache ist, wie die Forscher vermuten, ist kaum zu klären.

Allerdings befürchten Biologen bei steigenden Temperaturen auch in Südafrika einen markanten Artenschwund. Eine entsprechende Studie zur Landschaftsentwicklung prognostiziert, dass eine Erwärmung um zwei Grad Celsius zum Verlust von 66 Prozent der Tierarten des Krüger-Nationalparks führen könnte. Bereits jetzt ist dort ein großer Teil seltener Antilopenarten verschwunden.

Vergleichbares ist in Mitteleuropa zwar noch nicht zu befürchten. Allerdings ähneln die Ergebnisse aus Südafrika den Untersuchungen des IZW an Przewalskipferden und Mufflons aus einem Brandenburger Reservat. Dort hatten die Wissenschaftler bereits vor Jahren vergleichbare Änderungen der Aktivität und eine verstärkte Nahrungsaufnahme in den kühleren Nachtstunden festgestellt - allerdings ohne ähnlich negative Folgen wie in Afrika.

Allerdings beobachteten die Biologen, dass milde Winter bei Przewalskipferden zu Störungen der Gewichtsentwicklung und zu Huferkrankungen führten. "Normalerweise ist Winter Mangelzeit. Darauf haben sich die Tiere im Laufe der Evolution eingestellt", sagt Berger. Daher fressen sie sich im Herbst eine dicke Fettschicht an und müssen im Winter davon zehren.

Finden sie aber in Wintern, bei denen die Durchschnittstemperatur nicht unter null Grad Celsius fällt, zu viel Nahrung und bauen ihre Fettreserven nicht ab, fördert das eine gefährliche Entzündung, die zum Hufverlust führen kann. Außerdem werden die Pferde insgesamt zu dick. "Kommen Temperaturveränderungen zu schnell, ist die evolutionäre Anpassungsfähigkeit der Tiere offenbar überfordert", sagt Berger.

© SZ vom 25.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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