Ex-Soldaten in den USA:17 Suizide pro Tag

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Einer Studie des US-Senders CBS zufolge haben sich allein 2005 mehr als 6000 ehemalige Angehörige der US-Armee das Leben genommen. Damit liegt die Suizidrate erheblich höher als in der Gesamtbevölkerung.

Die Rate von Selbsttötungen unter ehemaligen Angehörigen der US-Armee ist laut einer Untersuchung des US-Fernsehsenders CBS deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung.

US-Soldaten im Irak warten auf Neuigkeiten von einem verwundeten Kameraden. Viele GIs leiden nach dem Kampfeinsatz unter psychischen Problemen. (Foto: Foto: AP)

Im Jahr 2005 hätten 6256 ehemalige Soldaten ihrem Leben ein vorzeitiges Ende bereitet, hieß es in einem Bericht vom Mittwochabend. Das seien durchschnittlich 17 Suizide pro Tag.

Der Sender hatte von 45 US-Bundesstaaten Daten über Selbstmorde aus den Jahren 2004 und 2005 erhalten und von Steve Rathbun von der University of Georgia in Athens analysieren lassen.

Dabei stellte sich heraus, dass 2005 die Häufigkeit der Selbsttötungen in der Gesamtbevölkerung bei 8,9 von 100.000 lag. Unter den ehemaligen Armeeangehörigen lag die Rate dagegen bei 18,7 bis 20,8 von 100.000.

Unter jungen Menschen zwischen 20 und 24 Jahren waren es sogar 22,9 bis 31,9 von 100.000 und damit viermal so hoch wie bei Altersgenossen, die nicht in der Armee gedient hatten.

"Diese Zahlen zeigen ganz deutlich das Ausmaß der mentalen Gesundheitsprobleme", zitierte CBS den Anwalt Paul Sullivan, der sich für die Rechte ehemaliger Armeeangehöriger einsetzt. Er denke nicht, dass die Armee das wissen wolle, sagte er. "Wir nennen es die Nicht-suchen-nicht-finden-Politik."

In den USA leben 25 Millionen ehemalige Armeeangehörige, von denen laut CBS 1,6 Millionen in Afghanistan und im Irak gekämpft haben.

Im August hatte das Pentagon bereits selbst berichtet, dass die Suizidrate unter den Soldaten so hoch sei wie seit 26 Jahren nicht mehr. Betroffen waren demnach vor allem jene, die im Irak oder in Afghanistan im Einsatz waren.

Die Zahlen des US-Verteidigungsministeriums betrafen allerdings aktive Soldaten. So hätten sich 2006 99 Armeeangehörige selbst getötet - was laut Pentagon einer Rate von 17,3 unter 100.000 entspricht. Im Jahre 2005 seien es 87 gewesen, erklärte das Pentagon. Zuletzt hatte die Suizidrate im Jahre 1981 ähnlich hoch gelegen.

Wie die Behörde berichtete, litten die Betroffenen unter den Belastungen des Kriegseinsatzes, aber auch unter emotionalen, juristischen und finanziellen Problemen. Um ihren Soldaten zu helfen, hatte die Armee die Zahl ihrer Psychologen und Geistlichen kürzlich um 25 Prozent erhöht.

Reservisten haben mehr Probleme als aktive Soldaten

Offenbar wird die Häufigkeit von psychischen Problemen bei Soldaten aber nicht nur erheblich unterschätzt. Hinzu kommt, dass ehemalige Soldaten von den Belastungen schwerer betroffen sind als jene, die im Dienst bleiben.

Darauf deutet eine aktuelle Studie von Medizinern des Walter Reed Army Institute of Research hin. Wie Charles Milliken und seine Kollegen in der Fachzeitschrift Jama (Bd. 298, S. 2141, 2007) berichten, benötigten 20,3 Prozent der Soldaten psychologische Unterstützung. Für jene, die nach dem Dienst das Militär verließen, waren es jedoch sogar 42,4 Prozent.

Die Mediziner hatten fast 90.000 Soldaten direkt nach ihrer Rückkehr und sechs Monate später noch einmal befragt. Wie sich herausstellte, wurden die Probleme der Heimkehrer mit der Zeit sogar größer. So war das Risiko einer psychischen Erkrankung innerhalb der sechs Monate bei den weiterhin aktiven Soldaten von 17 Prozent auf 27 Prozent gestiegen. Und bei den Reservisten wuchs die Gefahr von 17,5 Prozent auf 35,5 Prozent.

Diese Entwicklung hängt vermutlich damit zusammen, dass insbesondere die Reservisten die Unterstützung der Kameraden vermissen, vermuten Milliken und sein Team. Auch fehle gerade bei ihnen häufig eine psychotherapeutische Behandlung. Diese Betreuung aber helfe sowieso nur etwa jedem zweiten Soldaten, berichten die Mediziner.

Paul Rieckhoff von der Organisation Iraq and Afghanistan Veterans of America (IAVA) kritisierte angesichts der Selbstmordzahlen, das Ministerium für Veteranen-Angelegenheiten sei nicht ausreichend auf die Flut von Menschen, die aus dem Krieg nach Hause kommen, vorbereitet. Es müsse genauso aufgerüstet werden, wie es mit der Armee nach jedem Krieg geschehe, erklärte er CBS.

© sueddeutsche.de/AFP/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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