Erfindung I:Sanfte Stromstöße

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Ein Hirnschrittmacher bekämpft Parkinson-Symptome.

Philipp Berens

Der Mann macht schlurfende Schritten vorwärts. Seine Arme hat er angewinkelt, er geht leicht vornübergebeugt. Der rechte Arm zittert langsam. Als er kurz stehen bleibt, schaltet ein Arzt ein Gerät auf dem Brustkorb des Patienten ein, von dem dünne Kabel unter der Haut bis tief in sein Gehirn laufen. Wenige Augenblicke später richtet er sich auf, wirkt nun entspannt. Das Zittern ist erloschen und er macht große Schritte.

Mit einem Netz von Elektroden vermessen Forscher, welche Stromimpulse der Hirnschrittmacher abgeben soll. (Foto: Foto: dpa)

Stromstöße gegen Parkinson

Tiefenhirnstimulation heißt die Technik, die auf Knopfdruck die Symptome von Parkinsonpatienten dämpft. Bei dem Leiden feuern die Zellen in einem kleinen Hirnareal rhythmisch immer zur selben Zeit, die Bewegungsabläufe der Betroffenen werden dadurch gestört.

Wenn Medikamente nicht mehr helfen, greifen Neurologen zur Heilung mit Strom: Neurochirurgen schieben eine feine Elektrode in den Zellverband und bringen die Nervenzellen durch dauerhafte Reizung zum Schweigen.

Wirksam, aber noch nicht optimal, befanden die für den Zukunftspreis vorgeschlagenen Mediziner Peter Tass vom Forschungszentrum Jülich und Volker Sturm vom Universitätsklinikum Köln. Denn die konventionelle Reizung schaltet auch die natürliche Funktion der Nervenzellen aus.

Wie ein Dirigent

Tass und Sturm entwickelten ein Verfahren, das schonender vorgeht. Mit schwachen Stromstößen bringen sie die Nervenzellen gezielt aus dem Rhythmus - etwa so, als ob der Dirigent den Geigern seines Orchesters ein Zeichen gibt, schneller zu spielen, die Bläser aber bremst.

"Ziel ist, die starre Stimulation durch intelligente Verfahren zu ersetzen, die ganz gezielt nur krankmachende Impulse ausschalten", sagt der Neurochirurg Sturm.

Um die richtigen Reizmuster zu finden, durch die sich die Nervenzellen am besten aus dem Takt bringen lassen, führten die Forscher umfangreiche Simulationen durch.

Sie stellten komplexe Gleichungen auf, die das Verhalten der Neurone beschreiben, um unterschiedliche Ansätze gefahrlos am Modell zu testen. Durch das neue Verfahren könnte es sogar möglich sein, langfristige Linderung der Krankheit zu erreichen.

In ersten Versuchen hätten die Nervenzellen ihre Verbindungen untereinander geändert, sagt Tass, der auch Physik und Mathematik studiert hat. Das ließe hoffen, dass sich durch die "sanfte Stimulation" die Symptome verbessern, weil die Zellen möglicherweise lernen, nicht mehr im Gleichtakt zu feuern. Klinisch soll das Verfahren in wenigen Jahren eingesetzt werden können.

© SZ vom 23.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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