Erbgut-Sequenzierung:"Project Jim" und die Privatsphäre

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Eine US-Firma will das Erbgut von Freiwilligen sequenzieren und veröffentlichen - der erste ist Nobelpreisträger James Watson. Doch welche Gen-Informationen sind so persönlich, dass sie zur Privatspähre gezählt werden müssen?

Eliot Marshall

"Project Jim" nennt eine amerikanische Firma ihr neuestes Vorhaben: Sie will das Genom eines einzelnen Menschen sequenzieren - und das in sehr kurzer Zeit. Die Ergebnisse will das Unternehmen 454 Life Sciences in Bradford, Connecticut, im Sommer veröffentlichen. Auch der Name des Erbgutspenders wurde bereits bekannt: Es stammt von James Watson, dem Co-Entdecker der Molekülstruktur der DNS und Medizin-Nobelpreisträger.

Nobelpreisträger James Watson. Sein Ergbut wird veröffentlicht - aber nicht zu 100 Prozent. (Foto: Foto: AP)

Watsons Genom wird nicht das einzige bleiben. Die Harvard Medical School hat einem Plan des Computer-Genetikers George Church zugestimmt, die Genome von Freiwilligen zu sequenzieren und zu veröffentlichen. Auch Craig Venter hat angekündigt, bald eine komplette Auflistung seiner DNS zu veröffentlichen. Teile davon sind bereits bekannt, Venter hatte einen Großteil der Proben beigesteuert, die seine Firma Celera Genomics vor einigen Jahren sequenziert hatte.

All diese Projekte verlangen nach einer Antwort auf die Frage: Welche Informationen im Genom sind so persönlich, dass sie zur Privatsphäre zählen müssen wie der Kontostand? Wie soll man sie schützen? Weil die Kosten der Sequenzierung fallen, werden sich immer mehr Menschen diese Fragen stellen müssen.

Der 79-jährige Watson sagt, er habe der Entzifferung seines Erbguts zugestimmt, als er der Firma 454 vor zwei Jahren eine Blutprobe gab. Seine Begründung dafür war einfach: "Neugierde". Er rechne sich aus, "dass ich mehr dadurch zu gewinnen habe, dass Menschen mein Genom anschauen" als zu verlieren.

Das grundlegende Ziel der Firma sei, sagt Michael Egholm, Vizepräsident für Forschung und Entwicklung, "eine routinemäßige Sequenzierung" erschwinglich zu machen. 454 ist eines der Unternehmen, das diese Marktlücke besetzen möchte. Ihre Angestellten hätten lange diskutiert, "wer der Erste sein sollte", sagt Egholm.

Nach einem Abendessen mit Beratern habe man sich entschieden, dass es Watson sein müsse. Der nahm das Angebot nicht nur an, sondern sprach auch mit der Presse über das Projekt.

Doch erst eine Aufrüstung des Maschinenparks erlaubte es, innerhalb weniger Wochen zehn Milliarden Basen von Watsons DNS in vielen überlagernden Abschnitten zu entziffern. Zu 97 Prozent vollständig sei das Genom, stellten die Forscher im Februar fest.

Kosten: eine Million Dollar

Watsons DNS sei inzwischen dreifach sequenziert. Nur noch wenige Wochen werde es dauern, eine sechsfache Abdeckung zu erreichen, schätzt Richard Gibbs, Leiter des Sequenzierungs-Zentrums am Baylor College in Houston, genug für ein "qualitativ sehr hochwertiges Genom." Die Kosten lägen bei etwa einer Million Dollar.

Offen ist aber noch, was man genau von dem Projekt veröffentlichen wird. Watson hatte zugestimmt, dass seine DNS-Sequenz den öffentlichen Datenbanken hinzugefügt werden dürfe. Aber er hatte von Anfang an verlangt, dass der Status seines ApoE-Gens, an dem sich womöglich ein Risiko für die Alzheimersche Krankheit ablesen lässt, unkenntlich gemacht wird.

Seiner Firma wurde dann klar, sagt Egholm, dass weitere Genabschnitte geschwärzt werden müssten, womöglich alle, die nach aktuellem Wissen Einfluss auf Krankheiten haben. Ein weiteres Problem: Manche Passage, die heute harmlos erscheint, könnte in Zukunft mit Gefahren verknüpft werden - das würde Watsons Söhne betreffen.

Richard Gibbs und die Medizinethikerin Amy McGuire, ebenfalls vom Baylor College, legten den Fall dem Ethikkomitee ihrer Hochschule vor, ohne Watson zu nennen. Es verlangte eine weiterreichende Einverständniserklärung des Freiwilligen, und stimmte der Veröffentlichung dann zwar am 19. März zu. Dennoch klagt McGuire, öffentliche Gremien hätten dem Projekt bislang "sehr wenige Leitlinien" gegeben, wie man die Probleme mit Privatsphäre und Zustimmung von Nachkommen regeln könne.

Das Baylor College und die Firma 454 haben sich darum auf ein Verfahren geeinigt, wie die Daten freigegeben werden, sagen Egholm und McGuire. Das Unternehmen wird die komplette Sequenz auf eine DVD brennen und Watson überreichen.

Dieser übernimmt es, mit seiner Familie über die Risiken der Veröffentlichung zu sprechen. Dann entscheidet er, was blockiert und wann und wie die restliche Sequenz zugänglich gemacht wird. Mehr sagt der Nobelpreisträger nicht dazu, jedenfalls nicht, bis die Firma einen wissenschaftlichen Artikel herausbringen kann, wahrscheinlich im Juli.

Craig Venter hingegen plant, sein Genom ohne jede Einschränkung zu veröffentlichen.

Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe von Science erschienen, dem internationalen Wissenschaftsmagazin, herausgegeben von der AAAS. Weitere Informationen: www.sciencemag.org, www.aaas.org. Deutsche Bearbeitung: Christopher Schrader

© SZ vom 3.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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