Energiequellen:Auf Ölsuche in Deutschland

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Der Weltmarktpreis macht die Suche nach Öl und Gas in Deutschland wieder lukrativ. Geologen und Ingenieure stellt sie allerdings vor große Herausforderungen.

Axel Bojanowski

Dubai, Dallas, Büsum, Augsburg - in einer Liste der Öl-Metropolen dieser Welt stünden deutsche Städte zwar weit hinten, aber immerhin, sie würden erscheinen.

Auch in Deutschland sieht man hin und wieder solche Ölpumpen. (Foto: Foto: dpa)

In vielen Teilen Deutschlands investieren Unternehmen wieder verstärkt in die Suche nach Öl und Gas. Sogar kleine Reservoire erscheinen aufgrund der hohen Rohstoffpreise plötzlich lukrativ. Die Suche stellt Geologen und Ingenieure allerdings vor Herausforderungen, denn die ergiebigsten deutschen Öl-Quellen wurden bereits vor Jahrzehnten gefunden und ausgebeutet.

Bislang werden mehr als 95 Prozent des Erdöls und -gases aus Deutschland in Niedersachsen und Schleswig-Holstein gewonnen. Am meisten Öl fördert die Bohrinsel Mittelplate in der Nordsee vor Büsum.

Weitere, lohnende Lagerstätten liegen allenfalls in großer Tiefe. Und der wertvolle Rohstoff steckt oft so fest im Untergrund, dass er sich nur mit großem Aufwand fördern lässt. "Gegenüber Standorten im Ausland ist die Produktion in Deutschland anspruchsvoller", sagt Stefan Leunig von der Firma Wintershall, einer Tochter des Chemie-Konzerns BASF. "Die geologischen Bedingungen sind zumeist schwierig".

Auch werden die in Deutschland schlummernden Reserven das Ende des Erdölzeitalters kaum hinausschieben. Die Fördermengen decken nur wenige Prozent des eigenen Bedarfs. "Der hohe Rohölpreis wirkt sich aber belebend auf die Exploration in Deutschland aus", sagt Leunig. Im vergangenen Jahr haben Firmen im Bundesgebiet sechs Erkundungsbohrungen abgeschlossen.

Keine stieß auf die erhoffte Öl- oder Gasquelle, aber die Unternehmen ließen sich von den Misserfolgen nicht abschrecken. Sie erhielten im Jahr 2007 zwanzig neue Suchlizenzen, die meisten in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg. Auch Bayern steht neuerdings im Blickpunkt der Ölsucher.

"Bayern wurde bei der Ölsuche bislang stark vernachlässigt", sagt der Geologe Christian Astl vom österreichischen Konzern OMV. Experten erwarten dort zwar nicht annähernd so große Ölquellen wie im Norden. Die Reserven im Freistaat könnten sich jedoch als deutlich ergiebiger erweisen als angenommen.

Bislang kalkulierten die Firmen, dass im Alpenvorland lediglich noch eine Million Tonnen Gas und etwa halb so viel Öl im Boden liegt. So viel Öl verbraucht die deutsche Wirtschaft in zwei Tagen. Doch der aktuelle Preis von 115 Dollar pro Barrel (75 Euro für 159 Liter Rohöl) macht die Förderung wirtschaftlich interessant.

Geologen hilft dabei der Blick nach Österreich. Das Wiener Umland sei geologisch mit Bayern vergleichbar, sagt Astl. Im sogenannten Wiener Becken wurden viele Milliarden Liter Öl und Gas gefördert. Rund 2000 Bohrlöcher existieren in der Region. In Bayern hingegen wurde der Boden nur vereinzelt erkundet und nur wenig Öl gewonnen. Darum verstärken Firmen hier ihre Suche: Das Unternehmen Activa Resources darf zwischen Ammersee und Memmingen alte Quellen untersuchen und neue suchen; Wintershall will im Herbst im Landkreis Augsburg bohren.

In der Region gewinnt die Firma bereits Öl: In Aitingen fördern altmodisch anmutende Pferdekopfpumpen rund 733 Barrel pro Tag aus mehr als einem Kilometer Tiefe. Damit lassen sich auf dem Weltmarkt etwa 55000Euro erzielen. Die Menge entspricht allerdings nur einem Fünfhundertstel des täglichen Verbrauchs in Bayern.

Auch OMV hat Indizien dafür, dass in Bayern lohnenswerte Ölquellen liegen, auch wenn eine Bohrung des Unternehmens im vergangenen Jahr bei Kempten keinen Erfolg brachte. Im Sommer will die Firma bei der Ortschaft Seeg im Allgäu den nächsten Versuch wagen. Unter einer gewaltigen Gesteinsfalte in mehr als zwei Kilometer Tiefe könnten sich größere Mengen Öl gesammelt haben, kalkuliert die Firma.

Echos aus der Tiefe

Nach solchen Falten fahnden Petrogeologen zurzeit verstärkt. Ihre Vermutung beruht auf dem Wissen über die Entstehung von Erdöl und die Entstehung der Alpen. Unter ganz Deutschland erstreckt sich in unterschiedlicher Tiefe eine poröse Gesteinsschicht, die oft hunderte Meter dick ist.

Es sind vor allem Sand- und Kalksteine aus der Kreidezeit - der Epoche der Dinosaurier -, aber auch Schichten aus jüngeren Erdzeitaltern. Sie haben große Mengen von Öl und Gas aufgenommen, das aus tieferen Schichten emporgequollen ist.

Das Öl wird nach oben von einer undurchlässigen Steinschicht blockiert und kann nicht höher strömen. Im bayerischen Untergrund wurden diese Lagen bei der Auffaltung der Alpen gestaucht; die Decklage wurde dadurch nach oben gedrückt; im Querschnitt erinnern die Gesteinsschichten an einen Pilz, in dessen Kopf die Ölsucher bohren wollen. Das Erdöl wäre in den Poren des Gesteins eingeschlossen und könnte einfach zu fördern sein.

Um die Quellen aufzuspüren, schicken Ölsucher Schwingungen in den Boden. Zumeist rücken dafür Spezial-Lastwagen an, die mit vibrierenden Stempeln den Boden erzittern lassen. Die Erschütterungen werden an den Grenzen der Gesteinsschichten zurückgeworfen, Mikrophone an der Oberfläche registrieren die Echos. Die Aufzeichnungen ergeben ein dichtes Strichmuster, das Seismologen auswerten.

Mit den Stoßwellen lassen sich Öl und Gas zwar nicht direkt nachweisen, aber die Konturen von Erdschichten verraten es. "Bei Seeg haben wir im Untergrund eine vielversprechende Struktur gefunden", schwärmt Astl. Ob sich in dem Sandstein tatsächlich Öl befindet, könne aber erst eine Bohrung zeigen. "Die Erfolgschancen betragen etwa 30 Prozent." Auch in anderen Regionen in Bayerns erwartet der Geologe lohnende Reservoire, etwa bei Passau.

In Norddeutschland sollen ebenfalls neue Felder erschlossen werden. Zudem werden auch dort wie am Ammersee alte Reservoire interessant, die eigentlich als ausgebeutet galten. Normalerweise bleiben rund Dreiviertel des Öls im Gestein zurück. Mit neuer Technologie lässt sich jedoch weitaus mehr fördern. Der Betreiber des Ölfeldes Mittelplate in der Nordsee etwa, die Firma RWE-Dea, hofft nun, aus längst aufgegebenen Bereichen Rückstände fördern zu können.

Der Aufwand wäre erheblich, wie ein Projekt in Emlichheim bei Lingen zeigt. Mit heißem Wasserdampf mobilisiert Wintershall Reserven aus dem örtlichen Ölreservoir, das lange als erschöpft galt. Mit 100-fachem Atmosphärendruck wird der 300 Grad heiße Dampf in den Boden gepresst, flutet die Poren des Gesteins und löst klebrige Ölrückstände. An anderen alten Förderplätzen kommen zudem Öl lösende Chemikalien und Gas erzeugende Bakterien zum Einsatz.

In Emlichheim soll gar eine neue Bohrtechnik die Förderung ankurbeln. Anstatt wie üblich senkrecht wird die Quelle in anderthalb Kilometer Tiefe seitwärts angebohrt. Die "Horizontal-Bohrung" ist zwar deutlich teurer als die übliche Variante. Doch sie bewirkt, dass das Öl auf ganzer Länge aus der Lagerstätte gepumpt werden kann. Bei Senkrechtbohrungen bleibt Öl, das sich in größerem Abstand zum Bohrloch befindet, im Gestein zurück.

© SZ vom 06.05.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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