Drama an der Ostsee:In der Not geboren

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Der warme Winter bedroht den Bestand der Ringelrobben an der Ostsee. Die Tiere finden keine Eisflächen, auf denen sie Jungtiere aufziehen können.

Arne Boecker

Stralsund - In der nördlichen Ostsee ereignet sich derzeit ein Drama, das den Bestand an Ringelrobben drastisch dezimieren könnte. Weil dieser Winter einer der eisärmsten seit Menschengedenken ist, finden sie keine Eisflächen, auf denen sie Jungtiere aufziehen können.

Finden nur noch selten Schutz: Ostsee-Ringelrobben-Baby in einer Eishöhle. (Foto: Foto: WWF/Ivar Juss/dpa)

"Es ist möglich, dass in manchen Regionen kein einziges Ringelrobben-Baby überlebt", fürchtet Cathrin Münster vom World Wide Fund For Nature (WWF) in Stralsund. Schuld daran könnte der Klimawandel sein.

Die größte Verbreitung findet die Ostsee-Ringelrobbe im Bottnischen Meerbusen, an den sich Schweden und Finnland schmiegen. Größere Bestände gibt es aber auch im Finnischen Meerbusen und in der Rigabucht vor Estland. An der deutschen Ostseeküste tauchen Ringelrobben nur auf, wenn sie sich verirrt haben.

Im Februar und März bringt die Ringelrobbe Junge zur Welt. Um sie mindestens einen Monat säugen zu können, gräbt sie ihnen Höhlen ins Eis. "Weil der warme Winter das Eis hat schmelzen lassen, müssen die Robbenbabys ins Wasser, bevor sie sich eine Fettschicht zugelegt haben", sagt Cathrin Münster.

Die Folge: sie erfrieren oder verhungern. In der Rigabucht könnte es in diesem Jahr den ganzen Ringelrobben-Nachwuchs hinwegraffen. Einige Weibchen haben - gegen ihre Natur - versucht, an Land zu gebären.

"Wir haben jedoch keinen Hinweis darauf, dass deren Junge überlebt haben", sagt Antti Hallka vom WWF in Finnland. Cathrin Münster berichtet von Festmahlen, über die sich Adler freuen konnten, weil Ringelrobben in ihrer Not an Land gebaren.

Ihren Namen verdankt die Robbe schwarzen Mustern, die das graue Fell zieren. Sie wird knapp anderthalb Meter groß und 100 Kilo schwer. In der Ostsee leben derzeit 7- bis 10.000 dieser Robben, die jedes Jahr etwa 1500 Junge aufziehen.

Die Art steht auf der roten Liste der Weltnaturschutzunion. Sie ernährt sich von Fisch, im Nordmeer zählt sie ihrerseits zu den Leibspeisen der Eisbären. Um 1900 lebten noch 180.000 Ringelrobben in der Ostsee. Jagd und Umweltgifte machten ihnen den Garaus; erst um 1980 herum begannen sich die Bestände zu erholen.

Wenn es im März oder April nicht doch noch zu dramatischen Kälteeinbrüchen kommt, wird dieser Winter in die Geschichte eingehen. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Rostock spricht vom "eisärmsten Winter seit 1720 in der Ostsee".

Eigentlich bedeckt den Bottnischen Meerbusen im Februar und März eine dicke Eisschicht. In diesem Jahr finden sich nur Eis-Inseln. Ringelrobben können jedoch nur in Regionen überleben, in denen sie 90 Tage im Jahr geschlossene Eisflächen vorfinden.

Einiges deutet darauf hin, dass der Klimawandel die Schmelze verursacht. Wenn nicht schnell gegengesteuert wird, könnte das Ostsee-Eis bis zum Ende dieses Jahrhunderts um 50 bis 80 Prozent schrumpfen, heißt es beim WWF. Die Umweltschützer beziehen sich auf den Ostsee-Klimareport der Anrainerstaaten.

Demnach frieren manche Regionen in ein paar Jahrzehnten nur noch für 18 bis 48 Tage pro Jahr zu. "Wenn der globale CO2-Ausstoß nicht drastisch sinkt, droht die Ostsee-Ringelrobbe auszusterben", sagt Cathrin Münster vom WWF.

Zurückhaltender urteilt das Bundesamt für Schifffahrt und Hydrographie. Wenn die Experten dort die Statistik über die Eisvolumina seit 1879 studieren, erkennen sie neben klirrendkalten auch immer wieder eisarme Winter. Was allerdings auch ihnen zu denken gibt: Die derzeitige Milde hält bereits seit zwölf Jahren an.

© SZ vom 18.03.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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