Die Plünderung der Weltmeere:Zerstörer auf hoher See

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Die Nachfrage nach Fisch steigt weltweit an. Das große Geschäft machen immer mehr illegale Fischfänger. Selbst mit schwimmenden Fabriken beuten Piraten die Meere aus.

Janek Schmidt

Die Verfolgungsfahrt hatte den Anschein eines Seegefechts. Eine Stunde lang jagte die sierraleonische Marine den chinesischen Fischkutter Lian Run 27 und feuerte dabei mehrere Warnschüsse ab.

Aus dem Meer auf den Tisch: Ein Einkaufsführer (Foto: SZ-Grafik: Braun, Quelle: WWF)

Die Hartnäckigkeit der Afrikaner zahlte sich aus, noch in ihren Hoheitsgewässern konnten sie die asiatischen Fischer festsetzen. Doch wie viele andere Boote entkamen, ist unsicher. So zeigt dieser Vorfall aus dem vergangenen Jahr die zunehmende Verzweiflung, mit der Küstenstaaten ein Gefecht austragen, bei dem es jährlich um bis zu 10 Milliarden Euro geht: den Kampf gegen illegalen Fischfang.

Fisch wird knapper, und das ist der Hauptgrund für den Konflikt. Laut Welternährungsorganisation (FAO) wird bereits die Hälfte der Meeresbestände so intensiv befischt, dass sich Fänge und Reproduktion die Waage halten.

Ein weiteres Viertel der Bestände schrumpft sogar, sodass die Fänge aus den Weltmeeren seit 15 Jahren stagnieren. Obwohl sich die Produktion aus Fischfarmen in dieser Zeit verdreifacht hat, kann der Bedarf nach Fisch nicht mehr bedient werden.

Jährlich 500.000 Tonnen illegal gefangener Fisch für Europa

In China hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch in den vergangenen 30 Jahren versechsfacht und ist heute größer als in Europa oder in den USA. Die EU importiert mittlerweile 60 Prozent ihres Fischbedarfs - und vieles davon ist Schmuggelware. So werden nach EU-Schätzungen jährlich bis zu 500.000 Tonnen illegal gefangener Fisch mit einem Gesamtwert von mehr als einer Milliarde Euro nach Europa eingeführt.

Der WWF schätzt, dass bis zu einem Drittel der weltweiten Fänge heute rechtswidrig sind. Die Schiffe der Illegalen sind treibende Fischfabriken. Sie bleiben oft jahrelang auf den Meeren, um Hafenkontrollen zu meiden.

Verpflegung, Sprit und neue Crewmitglieder erhalten sie über Versorgungsschiffe, und sie lassen ihren Fisch noch auf See von Kühlfrachtern abtransportieren. Sie verwenden verbotene Treibnetze, in denen auch Wale und Robben verenden, oder sie schleifen Schleppnetze über den Meeresboden, die Korallenriffe beschädigen. Zudem machen sie gezielt Jagd auf bedrohte Arten, die hohe Profite versprechen.

Ermöglicht wird dieser Raubbau durch Schwachstellen im internationalen Recht. Das UN-Seerechtsübereinkommen gibt Küstenstaaten exklusive Fangrechte in der 200-Seemeilen Zone vor ihren Küsten. Da arme Ländern aber keine Ausrüstung für effektive Kontrollen haben, werden ihre Küsten zum Revier der Piraten.

Während vor Afrika jährlich Meerestiere im Wert von etwa einer Milliarde Dollar illegal aus dem Wasser gezogen werden, bleiben die Netze der Einheimischen zunehmend leer. Für viele Länder Westafrikas ist das besonders schmerzhaft, da der Fischfang ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für sie ist, und die Bevölkerung oft mehr als die Hälfte ihres Eiweißes aus Fisch erhält.

Auf hoher See gibt es ohnehin keine Eigentumsrechte an Fischen. Dort unterliegen Schiffe vor allem der Kontrolle ihrer Heimatstaaten. Einige Länder nutzen dieses System aus und bieten Schiffsbesitzern ihre Flagge und weitgehende Kontrollfreiheit an.

"Diese Länder sind eines der Grundübel des illegalen Fischfangs", sagt Matthew Gianni, der die Studie "Wandel der Hochseefischerei" für die australische Regierung erstellt hat. Etwa 1200 Schiffe unter Billigflaggen zählte er dabei - meistens aus Belize, Honduras und Panama.

Wenig Verschleierungsversuche

"Was uns bei den Recherchen überrascht hat", sagt der Forscher Gianni, "war wie wenig sich manche Firmen bemüht haben, ihre Verwicklungen in den Diebstahl von Fisch zu verschleiern."

In kaum einem Land leben so viele Besitzer von Billigflaggen-Kuttern wie in Spanien. "Und die spanische Regierung schaut nur zu", klagt Gianni. Doch auch andere europäische Staaten seien in der Pflicht, sagt Duncan Copeland von der britischen Umweltschutzorganisation Environmental Justice Foundation.

Auch in Europa registrierte Boote fischen illegal, wie polnische Kabeljau-Jäger in der Ostsee. Europa müsse seine Marktmacht gezielter einsetzen, fordert Copeland. Haupteingangstor für den Schwarzhandel ist der Hafen von Las Palmas auf den Kanaren. "Die EU muss ihre Hafenkontrollen verbessern, mehr Druck auf Billigflaggen-Länder ausüben und das Verladen von Fisch auf hoher See verbieten", sagt Copeland .

Diese Forderungen könnten bald Realität werden, falls ein Maßnahmenkatalog, den die EU-Kommission im Oktober vorgelegt hat, in Kraft tritt. Demnach dürfte nur noch Fisch nach Europa importiert werden, der von dem Exportland als legaler Fang ausgezeichnet ist. Zudem würde eine Liste erstellt werden, die Schiffe und Staaten ausweist, die in Piratenfischerei involviert sind.

Ob die Pläne Bestand haben, ist noch ungewiss. "Die EU-Staaten haben gerade erst ihre Arbeitstreffen begonnen", sagt der Brüsseler WWF-Meeresexperte Markus Knigge, "und die Vorschläge der Kommission sind so weitreichend, dass die Verhandlungen noch Monate dauern werden".

© SZ vom 30.01.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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