DFG:Kurswechsel in der Stammzellforschung

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Die Deutsche Forschungsgemeinschaft spricht sich nach langem Zögern jetzt für die Forschung an Stammzellen von Embryonen aus und gibt Empfehlungen, um die geplante Züchtung von Ersatzgewebe für Schwerkranke zu ermöglichen. Forschungsministerin Bulmahn fordert eine breite Diskussion in der Gesellschaft.

Deutsche Wissenschaftler dürfen nach Meinung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) embryonale Stammzellen aus dem Ausland importieren und damit arbeiten. "Nach Ansicht der DFG gibt es keine Rechtfertigung dafür, die Forschung mit legal im Ausland hergestellten embryonalen Stammzellen grundsätzlich auszuschließen", heißt es in einer am Donnerstagabend in Bonn veröffentlichten Mitteilung.

Medizinische Präparate von Embryonen aus den 60er Jahren (Foto: N/A)

Embryonenschutzgesetz soll womöglich gelockert werden

Falls erforderlich solle der Gesetzgeber sogar überlegen, Wissenschaftler in Deutschland "aktiv an der Gewinnung von menschlichen embryonalen Stammzelllinien" arbeiten zu lassen. Dies bedeute eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes.

Die DFG gibt jedoch weiterhin der Forschung mit Stammzellen von Erwachsenen den Vorrang. Die Forschung an diesen so genannten adulten Stammzellen erweise sich als immer aussichtsreicher, sagte DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker.

Stufenplan

Die DFG, die Regierung und Bundestag in wissenschaftlichen Fragen berät, schlug einen Stufenplan vor. Zunächst werde dem Gesetzgeber empfohlen, den Import von im Ausland hergestellten, sogenannten pluripotenten Stammzelllinien zu gestatten, sagte Winnacker. Aus pluripotenten Stammzellen kann sich eine Vielzahl von verschiedenen Zelltypen entwickeln, beispielweise Nerven-, Muskel - und andere Gewebszellen.

"Überzählige" Embryonen

Es dürften allerdings nur Stammzellen importiert werden, die aus "überzähligen" Embryonen gewonnen wurden und deren Herstellung die elterlichen Paare zugestimmt haben. Der Import sei zwar nach geltendem Recht seit Jahren möglich, aber alle, die damit arbeiten wollen, warteten auf die Empfehlung der DFG, sagte der Präsident der Forschungsgemeinschaft. Der Import sollte registriert und jeder einzelne Versuch nach bestimmten Kriterien geprüft werden.

Auch in Deutschland "Embryonenzellen gewinnen"

Als weiteren Schritt schlug die DFG dem Gesetzgeber vor, zu überlegen, ob nicht auch Wissenschaftler in Deutschland menschliche embryonale Stammzelllinien aus "überzähligen" Embryonen gewinnen dürften. Eine dafür notwendige Änderung des Embryonenschutzgesetzes solle auf fünf Jahre befristet werden, sagte Winnacker. Bis dahin sollte klar sein, ob die Arbeiten mit embryonalen oder Erwachsenen-Stammzellen aussichtsreicher sind.

Bundeskanzler gegen Änderung des Embryonenschutzgesetzes

Bundeskanzler Schröder hatte sich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Donnerstagsausgabe) gegen eine baldige Änderung des Embryonenschutzgesetzes ausgesprochen. "Im Moment reichen die Grenzen, die wir gezogen haben. Wir haben das Embryonenschutzgesetz", sagte er im Hinblick auf embryonale Stammzellen. Er sprach sich jedoch zugleich für eine "wirklich öffentliche Debatte" aus.

Thema für den Ethikrat

Nach einem Bericht des "Handelsblattes" (Freitagsausgabe) in Düsseldorf will die Bundesregierung eine Entscheidung über die öffentliche Förderung der Stammzellforschung verschieben. Der Bonner Forscher Oliver Brüstle hatte DFG-Gelder beantragt, um embryonale Stammzellen aus den USA zu importieren und damit arbeiten zu dürfen.

Forschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) hat mit Zurückhaltung auf die Empfehlungen der DFG reagiert. Deren Vorschläge müssten in Wissenschaft und Gesellschaft breit beraten und diskutiert werden, stellte die Ministerin fest. Erst dann könne man sich einer Öffnung bestehender Schutzbestimmungen in der Forschung an embryonalen Stammzellen nähern.

Bulmahn will sich dafür einsetzen, dass sich zunächst der neu gegründete "Nationale Ethikrat" mit der Thematik beschäftigt. Die DFG hatte geplant, schon am Freitag unter anderem über die Finanzierung der Arbeiten von Brüstle zu entscheiden.

Grüne gegen Stammzellimport

Die Grünen-Abgeordnete Monika Knoche forderte lauf Handelsblatt eine enge Auslegung des Embryonenschutzgesetzes oder ein Importverbot: "Sittlich ist die Forschung mit embryonalen Stammzellen nicht vertretbar." Die CDU-Abgeordnete Katherina Reiche sagte dem Handelsblatt dagegen: "Deutschland darf den Anschluss bei der Stammzellforschung nicht verpassen."

Nutzen für Schwerkranke noch unklar

Vor überzogenen Erwartungen an die Stammzellforschung warnten am Donnerstag Experten zum Auftakt einer Fachtagung über humane Stammzellen an der Universität Darmstadt. Beim gegenwärtigen Stand der Forschung sei völlig unklar, ob die umstrittenen Experimente jemals einen therapeutischen Nutzen haben werden, sagte Jürgen Rohwedel, der an der Universität Lübeck an Mäuse-Stammzellen forscht.

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