Der Ethiker:Wozu braucht es all die Berater?

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Der Philosoph Volker Gerhardt klärt die Argumente der Wissenschaftler und Politiker: Was sollen und was dürfen sie verlangen? Diesmal: Der "Beratermarkt" und der "Markt der Ratlosen".

Die Beratung ist ein wesentliches Element der Ethik. Oft genug muss man sich aufklären lassen, bevor man entscheiden kann. Auch wenn es richtig ist, dass einem niemand die Zuständigkeit für das eigene Leben abnehmen kann, bleibt man auf die Sachkenntnis anderer angewiesen.

Präsident Bush mit seiner früheren Beraterin Karen Hughes im Oval Office. (Foto: Foto: AP)

Und wer unsicher in der Einschätzung eines anderen Menschen ist, dem kann das vertrauensvolle Gespräch mit einem Dritten helfen. Das wusste schon die antike Ethik und hat - auch deshalb - den Wert der Freundschaft so nachdrücklich betont.

Heute aber müsste man mit allen befreundet sein, um den dramatisch gestiegenen Beratungsbedarf zu decken. Die Komplexität des modernen Lebens steigert die Spezialisierung ins Unermessliche. Sie verlangt nach Experten, die zunehmend darauf angewiesen sind, sich selbst durch Experten beraten zu lassen.

Längst gibt es einen sich auf alles erstreckenden "Beratermarkt", dem ein wachsender "Markt der Ratlosen" gegenübersteht. Dazu scheinen vor allem die deutschen Manager zu gehören, die sich jedes Jahr für eine zweistellige Milliardensumme beraten lassen. Und selbst dort, wo es um persönliche Dinge geht, um die Studien-, Berufsoder Partnerwahl, wird mittlerweile immer mehr Beratung offeriert.

Wer berät die Berater?

Wer aber berät diese Berater? Wer gewährleistet, dass sie verantwortungsvoll handeln? Sorgt eine konsiliatorische Ethik dafür, wie ein kundiger Aristoteles-Interpret sie in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts begründen wollte?

Mit dieser Beratungsethik war keine Ethik für Berater, auch keine Ethik optimaler Beratung gemeint. Der Autor glaubte vielmehr, die Ethik selbst bestehe wesentlich darin, mit sich und anderen zurate zu gehen. Wer es verstehe, alle Argumente abzuwägen, dem erschließe sich das Gute von selbst.

Doch so einfach war und ist die Sache guter Beratung nicht. Denn man bleibt allemal auf Wertungen angewiesen, die unabhängig von der Beratung bestehen. Man benötigt Kriterien, die Gutes von Bösem unterscheiden. Vor allem aber braucht man ein Selbstverständnis als Person, um sicher zu sein, dass man tatsächlich verantwortlich ist.

Zwar ist nicht zu leugnen, dass Personen, die von außen kommen, härter fragen und unbefangener urteilen können. Sie verlangen nach Gründen, wo vorher nur Gewohnheit war. Darin liegt ein klärender Effekt, der auch ethisch zu begrüßen ist.

Aber sollte man das zunächst nicht durch Selbstkritik zu erreichen suchen? Eigenständige Mitarbeiter, die nichts befürchten müssen, wenn sie unbequeme Wahrheiten aussprechen, sind allemal billiger als von außen geholte Analysten - und sie haben überdies für ihren Ratschlag einzustehen. Die externen Berater hingegen sind längst anderswo, wenn es um die Konsequenzen ihrer Gutachten geht. Das aber widerspricht den Prinzipien, die einem verantwortungsvollen Handeln zugrunde liegen.

Philosoph Volker Gerhardt - der Ethiker. (Foto: Foto:)

Wer also überprüft ihre Leistungen? Und woher haben sie ihr massenhaft gefragtes Wissen? Qualitätssiegel gibt es nicht, auch keine Kammern, die für Selbstkontrolle sorgen. Das Ranking der Branchenriesen erfasst nur den Umsatz. Also muss man befürchten, dass die professionellen Berater wesentlich von ihren Versprechungen leben.

Wir brauchen eine Ethik der Verantwortung

Oder sollte ihre Unverzichtbarkeit überwiegend auf dem fehlenden Selbstvertrauen ihrer Kunden beruhen? Wie sträflich es sein kann, auf den eigenen Sachverstand zu verzichten und stattdessen fremde Berater hinzuzuziehen, zeigt sich derzeit im Gesundheitswesen. Hier hätte man in den Ärzten ideale Patientenberater.

Doch ihre Beratungsleistung wird so schlecht bezahlt, dass es zu einem Gespräch, das Leidensdruck mindern, Therapien verstärken, Krankheiten vermeiden und Kosten senken könnte, nur selten kommt. Stattdessen werden Gesundheitsberater tätig, denen die Nähe zum Klienten fehlt.

Statt einer konsiliatorischen, einer beratenden Ethik brauchen wir eine Ethik der Verantwortung, die Eigenständigkeit fördert, Selbstkritik prämiert und die jeden dazu erzieht, die Folgen seines Handelns auf sich zu nehmen. Dass man unter diesen Bedingungen auf den Rat anderer angewiesen bleibt, ist nicht zu leugnen. Nur sollte der externe Berater nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein. Deutschland ist Debattenland.

Der Philosoph Volker Gerhardt klärt die Argumente der Wissenschaft und Gesellschaft: Welche Ansprüche sollen und dürfen sie stellen?

© SZ Wissen 3/2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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