Das Geheimnis der Termiten:Die Top-Verwerter

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Der alles verdauende Darm von Termiten leistet Erstaunliches - er könnte sogar Biosprit herstellen. Japanische Forscher wissen jetzt, wieso.

Birgit Herden

Wenn Menschen einen Termitendarm hätten, könnten sie ihre Tageszeitung zum Frühstück nicht nur lesen sondern auch gleich essen. Die weißen Insekten können fast jede halbwegs organische Materie verdauen. Manche Termiten fressen Erde, manche laben sich an Dung, und andere gedeihen prächtig mit einer einseitigen Diät aus totem Holz.

Termiten wie diese der Art "Coptotermes formosanus" können halbwegs jede organische Materie verdauen. (Foto: Foto: Yuichi Hongoh)

"Der Termitendarm ist im Prinzip ein Reaktor, der Holz in Essigsäure umwandelt", erklärt Andreas Brune vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. "Wir fragen uns, wie das so effizient funktionieren kann."

Eine Gruppe japanischer Forscher hat nun mit einer aufwendigen Genanalyse gezeigt, mit welchen Tricks die Insekten ihre karge Kost verwerten ( Science, Bd.322, S.1108).

Termiten, die mit den Kakerlaken verwandt sind, leben wie Bienen und Ameisen in großen Staaten. Dass es im Enddarm der Insekten nur so von Leben wimmelt, ist schon lange bekannt. Obwohl er gerade mal einen Tausendstel Milliliter fasst, leben dort dicht gepackt etwa Zehntausend geißelbewehrte Einzeller, sogenannte Flagellaten mit der Termite in Symbiose.

Sie bilden eine Gemeinschaft, in der keiner ohne den anderen überleben könnte. Die Einzeller wiederum beherbergen eigene Symbionten: Millionen Bakterien leben entweder im Inneren der Flagellaten, oder werden von ihnen wie eine Strickweste auf der Oberfläche getragen. Nach Millionen von Jahren gemeinsamer Evolution haben die Einzeller sich auf bestimmte Aufgaben spezialisiert. Bakterien, Flagellaten und Termiten bilden gemeinsam eine Art Super-Organismus.

Wie zerkleinern sie Holz?

Bis vor wenigen Jahren wusste man über die eigenartige Lebensgemeinschaft kaum mehr als das, was unter dem Mikroskop sichtbar war.

Mit den modernen Techniken der Genanalyse gelingt es nun, die Aufgabenteilung zwischen Termiten, Flagellaten und Bakterien zu ergründen. Für eine Analyse genügen schon winzige Mengen Erbmaterial, das im Labor millionenfach kopiert wird.

Inzwischen ist klar, dass Insekt und Einzeller eine Mixtur von Verdauungsenzymen erzeugen, die Zellulose nahezu restlos in Essigsäure umwandelt. Zellulose ist der Hauptbestandteil aller Pflanzen. Sie besteht im Prinzip aus langen Ketten von Traubenzucker. Die Zuckermoleküle sind aber so dicht und fest verknüpft, dass sie für Menschen nahezu unverdaulich sind.

Der Darm der Termiten leistet aber noch mehr, als nur Zellulose zu zerkleinern - und das liegt an dem komplizierten Zusammenspiel seiner Bewohner. Bis zu 70 verschiedene Bakterienarten findet man in einer Termitenart.

Die japanischen Forscher haben zunächst mühevoll eine einzige Bakterienart aus einem Flagellaten herausgepickt. Dann entschlüsselten sie deren komplettes Genom und stellten fest, dass es im Vergleich zu frei lebenden Bakterien stark verkleinert ist.

Manche Gene sind aber auffällig aktiv. Bei dem in Japan untersuchten Bakterium sind es diejenigen Abschnitte im Erbgut, mit deren Hilfe die Bakterien Stickstoff aus der Luft nutzbar machen können.

Der Symbiont löst offensichtlich für die Termite ein dringendes Problem: Eigentlich wäre Holz allein eine viel zu einseitige Kost. Es mangelt darin an Stickstoff, den jedes Tier für den Aufbau von Eiweißen benötigt. Mithilfe der Bakterien und ihren spezialisierten Enzymen, können die Termiten allein von Luft und Holz leben.

Ein Rätsel bleibt allerdings nach wie vor offen: Wie können die Insekten überhaupt die Zellulose aus dem Holz herauslösen? Denn dort sind die Zuckerketten in Lignin eingelagert, also wie in Harz eingegossen. Und bei allen Analysen haben die Molekularbiologen in den Termiten noch kein Enzym gefunden, das Lignin spalten kann.

Im Magen der Termiten leben Flagellaten wie "Pseudotrichonympha grassii". (Foto: Foto: Yuichi Hongoh)

Cornflakes und Zucker

Wenn es gelänge, die Holz-Verdauung in allen Einzelheiten zu verstehen, dann wäre das für die Entwicklung von Biokraftstoffen wie Ethanol höchst interessant. Bislang wird zum Beispiel Alkohol erzeugt, indem man Stärke aus Mais vergärt. Angesichts steigender Lebensmittelpreise und knapper Anbauflächen ist dieses Vorgehen aber sehr uneffektiv.

Ließe sich der Verdauungsapparat einer Termite imitieren, dann könnte man aus den Maiskörnern Cornflakes herstellen, die Zellulose aus den holzigen Mais-Stengeln aufschließen und den daraus gewonnenen Zucker für die Herstellung von Biosprit verwenden.

Termiten sind dabei in doppelter Hinsicht interessant. In ihrem Darm wird nicht nur Zellulose zu Traubenzucker zerlegt, der sich chemisch zu Ethanol weiterverarbeiten lässt. Nebenher entstehen auch beträchtliche Mengen Wasserstoff.

Nutzlos wäre es allerdings, die Kraftstoffe in einem Bioreaktor voller Termiten herzustellen, da die Tiere den Zucker aus der Zellulose nicht hergeben, sondern selber verbrauchen. Stattdessen könnte man Bakterien oder Hefen mit Enzymen aus dem Termitendarm ausstatten.

Für Andreas Brune, der selbst an Termiten forscht, liegen solche Anwendungen aber noch in weiter Ferne. Ihn begeistert vor allem das perfekte Zusammenspiel zwischen den drei Organismen Termite, Flagellat und Bakterium. "Wir wissen gar nicht, was wir da noch alles lernen werden."

© SZ vom 14.11.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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