Cholesterinsenker:Wer braucht Statine?

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Cholesterin gilt als eine der übelsten Schurken-Substanzen der Medizin. Doch Ärzte sind uneinig, welchen Patienten Mittel zur Senkung des Blutfett gegeben werden sollten.

Von Werner Bartens

Die Rolle des Schurken in der Medizin ist eindeutig an das Cholesterin vergeben. Die unpopuläre Substanz gilt als Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall, die Arterien verstopft und den Blutfluss drosselt. Cholesterinsenker, in der Fachsprache als Statine bezeichnet, gehören deshalb zu den meistverkauften Medikamenten überhaupt. Wie uneinig Ärzte darüber sind, welchen Patienten die Mittel helfen, zeigt nun eine Untersuchung im Fachjournal JAMA. Demnach sind die Unterschiede in den Empfehlungen der Fachgesellschaften so groß, dass allein in den USA 9,3 Millionen Menschen mehr oder weniger mit den Arzneimitteln behandelt werden müssten.

Forscher um Michael Pencina von der Duke University haben am Beispiel von fast 3500 Erwachsenen im Alter zwischen 40 und 75 Jahren analysiert, zu welcher Therapie geraten würde. Folgen Ärzte den Empfehlungen der unabhängigen U. S. Preventive Services Task Force (USPSTF), würden zusätzlich zu den bisher bereits behandelten Patienten weitere 15,8 Prozent der Probanden mit Statinen therapiert werden müssen. Gemäß den Leitlinien der industriefreundlicheren Kardiologen wäre sogar bei weiteren 24,3 Prozent eine Behandlung notwendig.

Der Unterschied ist vor allem dadurch zu erklären, dass unklar ist, ob und wie viel die Medikamente auch jenen Menschen nützen, die noch keinen Infarkt oder Schlaganfall hatten. Für die Sekundärprävention ist der Vorteil der Statine hingegen unbestritten: Wer bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten hat, kann mithilfe der Arzneimittel die Wahrscheinlichkeit senken, einen zweiten zu bekommen. Lassen sich 60 bis 170 Patienten mit einem Statin behandeln, wird immerhin ein Zweitinfarkt pro Jahr verhindert.

In der Primärprävention fällt der potenzielle Nutzen deutlich geringer aus. Je nach Studie müssen zwischen 600 und 1400 Menschen behandelt werden, damit ein erstmaliger Infarkt vermieden wird. Angesichts dieser mäßigen Quote und den sehr seltenen, aber möglichen Nebenwirkungen einer Muskelauflösung sowie eines leicht erhöhten Diabetes-Risikos gibt es Ärzte, die dagegen sind, jedem Mittfünfziger mit erhöhten Blutfetten und Übergewicht vorsorglich Statine zu verordnen. Entscheidend ist das individuelle Risiko, doch auch daraus werden unterschiedliche Schlüsse gezogen: Während die USPSTF und andere unabhängige Ärzte erst ab einem kardiovaskulären Risiko von 20 Prozent Cholesterinsenker empfehlen, sprechen sich Kardiologen mehrheitlich schon ab einem Risiko von zehn Prozent dafür aus.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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