Cannabinoide:Hasch fürs Hirn

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Der menschliche Körper produziert seine eigenen Joints in Form so genannter Endocannabinoide. Diese haben verschiedene Funktionen im Körper.

Viele Patienten mit Multipler Sklerose schwören auf Haschisch. Joints linderten die Symptome der Autoimmunerkrankung, sagen sie. Substanzen, die der Droge Cannabis ähneln, könnten tatsächlich den Heilungsprozess bei Multipler Sklerose und anderen entzündlichen Erkrankungen beschleunigen, sagt Oliver Ullrich von der Universität Magdeburg.

Ein Cannabisfan begutachtet eine frische Marihuana-Blüte. Doch auch der Körper produziert so genannte Endocannabinoide, die Forscher nun stärker unter die Lupe nehmen wollen. (Foto: Foto: Reuters)

Der Neuroimmunologe hat in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team die Wirkung körpereigener Cannabis-ähnlicher Stoffe untersucht. Denn der Körper produziert seine eigenen Joints in Form so genannter Endocannabinoide. Diese haben verschiedene Funktionen im Körper; sie wirken sich unter anderem auf das Wohlbefinden, den Appetit und das Suchtverhalten aus.

Um die Wirkungsweise der Endocannabinoide bei Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose zu untersuchen, haben die Neuroimmunologen um Oliver Ullrich tierisches Hirngewebe auf verschiedene Weise geschädigt, zum Beispiel durch giftige Chemikalien oder durch Entzug von Sauerstoff. Dabei zeigte sich, dass das Gewebe große Mengen von Cannabinoiden freisetzte (Neuron, Bd.49, S.67, 2006).

"Diese Cannabinoide spielen eine zentrale Rolle für die Immunantwort", sagt Ullrich. "Sie binden sich an Immunzellen und sorgen dafür, dass diese nicht zu stark reagieren."

Auf diese Weise können die Substanzen Entzündungen im Hirn verhindern, wie sie bei der Multiplen Sklerose auftreten. Umgekehrt verschlimmerten sich in den tierischen Geweben auch die Entzündungsprozesse, wenn die Forscher die Wirkung der Cannabinoide unterbanden.

Da die körpereigenen Cannabinoide aber nicht genauso wirken wie die Cannabinoide im Haschisch, müssten die positiven Schilderungen Joint-rauchender Patienten andere Ursachen haben, sagt Ullrich.

Für einen Einsatz in der Klinik setzt der Forscher auf keine der beiden Arten von natürlichen Cannabinoiden, sondern auf synthetische Stoffe mit stärkerem Potenzial: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass bald klinische Studien mit diesen Substanzen durchgeführt werden sollten."

© SZ vom 5.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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