Biotechnologie:Genom-Transplantation gelungen

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Die Schaffung künstlichen Lebens rückt einen entscheidenden Schritt näher: Den Biotechnikern im Craig Venter Institute ist eine völlig neue Art der Genom-Manipulation gelungen.

Niels Boeing

Forscher des Craig Venter Institutes in Rockville sind der Schaffung künstlichen Lebens einen wichtigen Schritt näher gekommen. Es sei ihnen gelungen, das von allen anderen Zellmolekülen bereinigte, nackte Genom eines Bakteriums in eng verwandte Mikroben zu transplantieren, schreiben sie in einem Fachartikel, der am Donnerstag im Journal Science veröffentlicht wurde (online).

Nach der folgenden natürlichen Teilung der Wirtszelle fanden sie Tochterzellen, die nur das Spendergenom enthielten - ein Ergebnis, das man nicht für möglich gehalten hatte. Damit stellt dieses Verfahren neben dem Klonen oder dem Einschleusen fremder Gene eine ganz neue Art der Genom-Manipulation dar.

Zwar können sich die Wissenschaftler den genauen Mechanismus noch nicht erklären. Aber Hamilton Smith, einer der beteiligten Forscher, der das Verfahren bereits Anfang der Woche auf der Konferenz "Synthetic Biology 3.0" in Zürich präsentiert hatte, ist sich sicher: "Diese Genom-Transplantation ist eine zuverlässige Prozedur."

Seit längerem arbeiten Smith und seine Kollegen vom Venter-Institut daran, ein Mycoplasma-Bakterium mit einem Minimal-Genom zu schaffen. Dieses würde nur die Gene enthalten, die für Stoffwechsel und Reproduktion des Einzellers unbedingt nötig sind. Die Forscher wollen dann Designer-Gene hinzufügen, die die Zelle etwa zur Produktion von Wasserstoff veranlassen.

Ein neues Genom mit Designer-Genen

Bereits im vergangenen Jahr haben sie eine Liste mit 100 Genen vorgestellt, die sie im Genom von M. genitalium für verzichtbar halten. Aus den übrigen plus den zusätzlichen Designer-Genen wollen sie ein neues Genom erschaffen, das sie dann einer leeren Zelle einpflanzen könnten. Dieses Mycoplasma laboratorium getaufte Wesen hat das Venter-Institut bereits Ende Mai vorsorglich zum Patent angemeldet.

Zwar ist es mit heutigen Verfahren bereits möglich, solche vollsynthetischen Gen-Sequenzen im industriellen Maßstab herzustellen. Probleme bereitet aber noch das sogenannte Cytoplasma. Jenes wässrige Medium im Inneren von Zellen, das die nötigen molekularen Bausteine für den Betrieb bereitstellt.

"Wir können noch kein Cytoplasma herstellen", sagt Hamilton Smith. Genau darin liegt die Bedeutung der vorgestellten Genom-Transplantation: Die Wirtszelle liefert den Forschern eben jenes "unverfälschte Cytoplasma" (Smith), in das ein künstliches Genom eingebaut und zum Funktionieren gebracht werden kann.

Das Minimal-Genom-Projekt ist das wohl eindrücklichste Beispiel für das noch junge Forschungsgebiet der "Synthetischen Biologie". Die soll die Biotechnologie in eine echte Ingenieursdisziplin verwandeln - so wie aus der Elektrizitätslehre die Elektrotechnik hervorging. Vor allem US-Forscher wollen standardisierte genetische Bauteile - "Biobricks" - definieren, mit denen sich Organismen programmieren lassen.

Diese Biobricks bestehen aus kurzen Gensequenzen, von denen jede das Programm für eine Molekül-Funktion trägt. Dass sich diese Art des Bausteindenkens auf lebende Systeme anwenden lässt, haben Studien bereits gezeigt.

Forscher am Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben eine Datenbank aufgebaut, in der über 1500 solcher Biobricks gespeichert sind. "Es gibt derzeit eine ungeheure Begeisterung, voll funktionsfähige Zellen am Reißbrett zu entwerfen", sagt der MIT-Bioingenieur Drew Endy, einer der Gründer des Registers.

Diese Euphorie hat jedoch, wie so oft bei neuen Technologien, eine Kehrseite: Die frei zugänglichen Gensequenzen könnten auch dazu missbraucht werden, neue biologische Waffen zu schaffen. Denn die Umprogrammierung von Einzellern könnte dank der Standardisierung so einfach werden wie die Konstruktion einer elektrischen Schaltung aus Widerständen, Kondensatoren und Transistoren.

Gensequenzen lassen sich inzwischen auch deutlich preiswerter herstellen als noch vor einigen Jahren: Kosteten sie Ende der neunziger Jahre noch rund 15 Dollar pro Basenpaar - dem Grundbaustein aller Gene -, ist der Preis inzwischen auf 70 Cent gefallen. Ein Bio-Hacker könnte Genmaterial für ein paar hundert Dollar bei spezialisierten Firmen bestellen, geliefert wird per Post.

Kritiker fordern staatliche Kontrolle der Risiken

Diesem Problem wurde auf der "Synthetic Biology 3.0" in Zürich viel Raum für Diskussionen gegeben. Gautam Mukunda von der Boston University, der an einer Studie zur Sicherheit in der Synthetischen Biologie arbeitet, hält die gegenwärtigen Möglichkeiten zwar noch für "primitiv". Aber er skizzierte, was mittelfristig denkbar sei.

Man nehme ein für das Immunsystem unerkennbares "Chassis", also eine Bakterienhülle, ein umprogrammiertes Genom, das Schlaf-auslösende Hormone produziert, und einen Mechanismus, der das ganze Gebilde die Blut-Hirn-Schranke passieren lässt. Heraus kommt ein Mittel, das Menschen in Tiefschlaf versetzt.

Gerade solche nicht-tödlichen B-Waffen hält Mukunda für besonders gefährlich. "Sie könnten den seit Jahrzehnten bestehenden Konsens aufweichen, keine B-Waffen einzusetzen." Gautam Mukunda hält auch eine internationale Biosicherheitsorganisation für nötig, ebenso die Bereitschaft der Forschergemeinde, bestimmte Experimente bei einem neu erkannten Risiko auszusetzen.

Die Biotech-kritische ETC Group aus Kanada fordert allerdings, dass solche Vorkehrungen nicht von der Forschergemeinde selbst, sondern vom Gesetzgeber eingerichtet und überwacht werden. Denn "die Investitionen in die neue Technologie werden", wie ETC-Mitglied Kathy Jo Wetter vermutet, "die Bereitschaft der Synthetischen Biologen zu dem Sicherheitssystem letzten Endes aushebeln."

© SZ vom 29.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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