Atommüll-Endlager:"Im Zweifel ohne die Bürger"

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Ein Interview mit Entscheidung Heinz-Jörg Haury, Sprecher des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit (GSF) bei München über Standortentscheidungen.

Das Gespräch führte Jeanne Rubner

(SZ vom 19.10.2002) - Die Zeit der Grabenkämpfe um Gorleben sei vorbei, meint Heinz-Jörg Haury, Sprecher des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit (GSF) bei München und Arbeitskreis-Mitglied. Ein Endlager müsse gebaut werden.

SZ: Bürger sind bislang auch bei atomrechtlichen Genehmigungsverfahren beteiligt. Was ist jetzt neu?

Haury: Dass die Kriterien für die Endlagersuche öffentlich diskutiert werden, ist weltweit neu.

SZ: Kriterien - das sind die Spielregeln für die Endlagersuche?

Haury: Ja. Wir legen jetzt etwa fest, dass in einem Endlager - sei es Ton, Granit oder Salz - die Abfälle eine Million Jahre sicher verwahrt sein müssen. Dann müssen Bundestag und Länder diese Regeln beschließen - danach werden sie aber nicht mehr geändert.

SZ: Wenn auch diesmal die Bevölkerung beteiligt ist - es bleibt die Gefahr, dass jeder Standort von den betroffenen Anwohnern abgelehnt wird?

Haury: Tatsächlich ist die Meinung "Endlager überall, aber nicht bei mir" verbreitet. Aber man wird ein Endlager in Deutschland bauen müssen. Und es wächst eine neue Generation heran, die nicht mehr die Grabenkämpfe um Gorleben kennt. Die betroffenen Menschen sollen sich auch Gedanken machen, wie sie sich die Zukunft ihrer Region vorstellen, welche Vorteile ein Endlager hat - und natürlich muss es als Ausgleich auch Strukturmaßnahmen geben.

SZ: Haben Sie denn schon einmal die Bevölkerung von Gorleben für ein Endlager motiviert?

Haury: Wir waren bereits in Salzgitter und in Gorleben. Ich gebe aber zu, dass die Gruppen, die sich dort bisher gemeldet haben, gegen ein Endlager sind.

SZ: Was wird der Arbeitskreis tun, wenn sich ein Standort herauskristallisiert und die Proteste werden lautstark?

Haury: Nach unserem Verfahren werden etliche Regionen herausgesucht, die auf den ersten Blick geeignet sind - wo also etwa größere Salzstöcke oder Granitlager vorkommen und keine Vulkanausbrüche oder Erdbeben zu befürchten sind. Dann wird mit der Bevölkerung geredet. Erst wenn die Anwohner zustimmen, wird eine Erkundung beginnen. Und es muss wirklich die gesamte Region beteiligt sein - anders als etwa bei einem Flughafenprojekt, wo die eine Gemeinde unter dem Lärm leidet und die andere Steuern einstreicht.

SZ: Und wenn sich überhaupt keine willigen Bürger finden?

Haury: Unsere Hoffnung ist, dass an ein paar Standorten erkundet werden kann. Am Schluss sollten mindesten zwei Regionen zur Auswahl stehen, zwischen denen - nach Sicherheit und Regionalkriterien - entschieden werden kann. Wenn aber alle nein sagen, wird es zur Legalplanung kommen - also zu einem traditionellen Feststellungsverfahren. Dann wird eben der Bundestag oder ein anderes politisches Gremium entscheiden.

SZ: Ob ganz zum Schluss die Bevölkerung nochmal abstimmen darf, ist aber noch nicht entschieden?

Haury: Darin ist sich der AK Endlager in der Tat nicht einig. Eine Fraktion befürwortet eine Abstimmung, weil zwischen den ersten Diskussionen und den Erkundungen viele Jahre verstrichen sind. Die andere aber argumentiert, dass - wenn schon einmal Milliarden investiert worden sind - es kein Zurück geben kann. Mehr Sorge bereitet mir aber, dass wir in 20 Jahren zwar einen Standort haben werden, jedoch möglicherweise keine Experten mehr, die ein Endlager bauen können.

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